Ärzte sorgen sich vor dem Winter Kinderkliniken in NRW werden voll

Düsseldorf · Die Infektionswelle rollt weiter. Neben grippalen Infekten nehmen auch schwere Atemwegserkrankungen zu. Teilweise haben Kinderärzte im Rheinland Probleme, Klinikbetten für kleine Patienten zu finden. Ärzte sorgen sich vor dem Winter.

 Die Infektionswelle rollt. Nicht immer bleibt es bei leichten Symptomen.

Die Infektionswelle rollt. Nicht immer bleibt es bei leichten Symptomen.

Foto: Nicolas Armer

Ungewöhnlich viele Kinder müssen aktuell mit Atemwegsinfekten ins Krankenhaus. Vor allem Patienten unter vier Jahren sind stark betroffen. Häufig sind sie an dem Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) erkrankt, einem Infekt der oberen Luftwege. „Seit fast drei Wochen tauchen RSV-Vorerkrankungen auf, das ist extrem früh im Jahr“, sagt Guido Engelmann, Chefarzt der Kinderklinik am Rheinland Klinikum in Neuss.

Das stellt auch der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) fest: „Viele Kinderkliniken sind bereits jetzt voll. Gerade gelang es mir erst im dritten Anlauf, für ein schwer krankes Kind eine Klinik zu finden“, sagte Axel Gerschlauer, Kinder- und Jugendarzt in Bonn und Sprecher des BVKJ Nordrhein. „Die Zahl der Klinikeinweisungen wird wie jedes Jahr steigen: Ich mache mir Sorgen, wie das im Winter werden soll. Manchmal müssen Kinder dann auf dem Flur liegen, weil Kliniken keine freien Betten mehr für sie haben.“

Ursache für die ungewöhnlich frühe Erkältungswelle und die hohe Zahl der Klinikeinweisungen sind die Folgen der Corona-Pandemie. „Die Infektionswelle rollt weiter: Husten, Schnupfen, Fieber, Mittelohrentzündungen treten gehäuft auf. Hier macht sich bemerkbar, dass die Kinder wegen der Corona-Lockdowns kaum noch banale Infekte gewöhnt sind“, sagt Gerschlauer. Sorgen machen auch ihm die RS-Viren, die bei Früh- und Neugeborenen sowie Kleinkindern obstruktive Bronchitis, Bronchiolitis oder Lungenentzündung auslösen und eben sogar zu Krankenhauseinweisungen führen können.

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Foto: dpa/Friso Gentsch

„In der Regel begegnen Kinder jedes Jahr RSV und bauen dabei einen gewissen Immunschutz auf“, erklärt eine Sprecherin des Robert Koch-Instituts (RKI). Durch die Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung habe es im vergangenen Winter fast keine RSV-Erkrankungen gegeben. „Viele Kinder waren vor Infektionen geschützt. Nun treten sie wieder vermehrt auf“, sagt die Sprecherin. Das RKI beobachtet den Anstieg mithilfe einer repräsentativen Stichprobe der deutschen Akut-Krankenhäuser. In den Jahren vor der Pandemie seien dort im September wöchentlich 60 bis 70 Patienten im Alter von null bis vier Jahre mit schweren Atemwegsinfekten in eingewiesen worden. Aktuell seien es dagegen doppelt so viele.

Das RS-Virus kann insbesondere für Frühgeborene und vorerkrankte Kinder im ersten Lebensjahr gefährlich werden. Größere Ausbrüche unter Kindern wurden bereits im Mai aus Israel und in den Sommermonaten in den USA, Australien und Japan gemeldet. Das RKI mahnte deshalb schon im Sommer an, sich auf ein ähnliches Szenario in Deutschland vorzubereiten.

Mehrere große Kliniken in der Region berichten übereinstimmend, dass sie genug freie Betten für die laufende Infektwelle haben. „Aktuell sind wir in der Lage, das erhöhte Patientenaufkommen mit unseren Kapazitäten und dank der guten Kooperation der Düsseldorfer Kinderkliniken zu bewältigen“, sagt etwa eine Sprecherin des Florence-Nightingale-Krankenhauses in Düsseldorf. Patienten mussten aber auch bereits in umliegende Häuser verlegt werden, weil das Krankenhaus voll belegt war.

Düsseldorf ist kein Einzelfall. Auch die Sana Kliniken aus Duisburg müssten schon Kinder anderer Häuser übernehmen, sagt eine Sprecherin. „Manche Kliniken haben Schwierigkeiten“, sagt Jürgen Wintgens, Oberarzt an der Klinik für Kinder und Jugendliche der Städtischen Kliniken Mönchengladbach. „Wir bekommen auch schon mal Anfragen, ob wir ein Kind übernehmen können. Aber das geschieht phasenweise.“ Der Oberarzt sieht momentan keinen Grund für Alarmstimmung. „Es ist noch völlig unklar, ob die Infektwelle dieses Jahr extremer wird oder nicht“, sagt Jürgen Wintgens. „Sonst fängt das im November oder Dezember an.“ Eine solche Welle von Einweisungen gebe es in den Wintermonaten aber immer. „Jetzt ist das zeitlich durcheinander gekommen“, so Wintgens. Wie die Saison am Ende ausfalle, könne er nicht prophezeien. „Es kann extrem werden. Es kann aber auch sein, dass wir die ganze Zeit gut durchkommen.“

Für den Kinderärzte-Verband zeigt sich in der aktuelle Lage auch ein grundlegendes Problem: „Hier rächt es sich, dass Kinderheilkunde im Krankenhaus von den Krankenkassen so schlecht bezahlt wir“, sagt BVKJ-Sprecher Gerschlauer. „Wir haben zu wenige Betten, zu wenige Ärztinnen und Ärzte, zu wenig Pflegekräfte für Kinder.“

(anh/vima)
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