Landwirt vom Niederrhein “Wenn einer an Corona erkrankt, kann ich dicht machen”

Düsseldorf · Ohne Erntehelfer gibt es kein Gemüse auf deutschen Tellern. Aber immer wieder wird der Vorwurf laut, die Landwirte würden die Corona-Schutzverordnung nicht richtig einhalten. Ein Landwirt vom Niederrhein erzählt, wie schwierig die Situation ist.

 Salat wächst auf den Feldern eines Landwirts (Symbol).

Salat wächst auf den Feldern eines Landwirts (Symbol).

Foto: Linssen, Margret

Lange wurde diskutiert, ob Erntehelfer in der Corona-Krise einreisen dürfen. Letztlich gab Landwirtschaftministerin Julia Klöckner bekannt, dass im April und Mai je 40.000 Saisonarbeitskräfte einreisen dürfen. Aber auf den landwirtschaftlichen Betrieben ist es wie überall: Eine Corona-Lösung wird gefunden und fünf neue Probleme geschaffen. Ein Landwirt vom Niederrhein erzählt anonym von seiner Situation:

Als die Corona-Krise im März richtig los ging, gab es für mich längst kein Zurück mehr. Im Dezember 2019 habe ich den Eisbergsalat gesäht, im März standen längst die Jungpflanzen auf dem Feld. Drei Tage lang hält so ein Salatkopf durch, wenn er dann nicht geerntet wird, verrottet er. Der Salat macht mehr als 50 Prozent meiner Einnahmen aus, da kann man sich nicht mal eben umentscheiden. Mein Betrieb hat eine kleine bis mittlere Größe, trotzdem bin ich ohne Erntehelfer geliefert. 33 Helfer kommen jedes Jahr zu mir, 23 aus Rumänien, zehn aus Polen. Die meisten sind seit fünf Jahren dabei. Sie lassen sogar ihre Sachen hier, wenn sie wieder nach Hause fahren. Aber dieses Jahr war es nicht wie immer.

Seit März schlafe ich nicht mehr richtig, weil ich mir Sorgen mache. Erst dachte ich, ich muss alles hinwerfen, weil keine Arbeitskräfte ins Land dürfen. Als dann zum Glück klar wurde, dass das doch geht, waren die Vorbereitungen wahnsinnig aufwendig. Ich musste elf zusätzliche Wohncontainer mieten, 20 neue Kühlschränke und je zwei neue Spülmaschinen, Waschmaschinen und Trockner kaufen. Nur so lassen sich die Abstandsregeln einhalten. Bis auf Eheleute muss jetzt jeder Helfer einzeln wohnen. Hinzu kommt ein Isolationscontainer. Sollte doch jemand an Covid-19 erkranken, kann er dort autark leben.

Während der ersten 14 Tage müssen alle in Quarantäne bleiben. Aber ein Hofladen lohnt sich bei 30 Leuten nicht. Also nehme ich ihre Lebensmittelbestellung auf und fahre zum Supermarkt, um für sie einzukaufen. Das kostet mich zusätzliche Zeit. Ich habe Desinfektionsmittel, Mundschutz und Trennwände für die Salatmaschine angeschafft, damit meine Leute sich auch sicher fühlen können. Aber das alles macht für mich rund 300 Euro zusätzlich zum Lohn pro Person monatlich aus. Obendrauf kommen die Kosten für das Flugticket, das sind nochmal 250 Euro, die ich bezahlt habe. Wenn die Helfer mit dem Auto oder dem Bus kommen, bezahlen sie die Anfahrt selbst. Ich gehe von mehr als 70.000 Euro Mehrkosten für dieses Jahr aus. Eigentlich steckt mein ganzes Geld zur Zeit in Vorleistungen für den Acker. Einfach ist das nicht. Dabei habe ich noch Glück.

Alteingesessene Betriebe riefen bei mir an und flehten mich an, dass sie mir ihre Mitarbeiter für den Acker schicken dürfen. Getränkehändler zum Beispiel, die wegen dem Veranstaltungsstopp kurz vor dem Konkurs waren. Ich hätte auch wirklich gerne geholfen. Aber wenn sie auf Kurzarbeit sind, dann können sie nur 40 Prozent ihrer Arbeitsstunden bei mir auf dem Hof arbeiten. Das würde mich zwingen, sehr viele Schichten mit vielen verschiedenen Menschen einzurichten. Das geht nicht. Hinzu kommt, dass man schon lernen muss, wie man einen Eisbergsalat sticht. Ein guter Arbeiter sticht drei Köpfe in der Minute. Ich kann nicht jedes Mal eine Woche Einarbeitungszeit investieren, bis das wieder jemand kann. Und ich muss auch ehrlich sagen, vielen ist die Arbeit auf Dauer einfach zu hart. Es macht also viel mehr Sinn, auf die geübten Saisonarbeiter aus dem Ausland zu setzen. Aber es ist mir unendlich schwer gefallen, da abzusagen.

Deswegen will ich auch keine Subventionen. Das Geld sollen sie lieber Betrieben geben, die jetzt vor dem Ruin stehen. Bei uns Landwirten wird ja noch alles entschieden, und zwar durch die Lebensmittelpreise. Ich würde mir wünschen, dass die angemessen sind, sodass wir unsere Unkosten decken können.

Eine Sorge bleibt aber: Wenn einer auf dem Hof an Corona erkrankt, dann kann ich dicht machen. Ich weiß nicht, wie wir arbeiten sollen, wenn der Hof komplett unter Quarantäne steht. Diese Kosten kann ich nicht ausgleichen. Natürlich kann man sagen, soweit wird es schon nicht kommen, aber in den letzten Wochen sind so viele Dinge passiert, die wir niemals für möglich gehalten hätten, dass ich jetzt mit allem rechnen muss.

(Protokolliert von Susanne Hamann)
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