Nutzen, Nebenwirkung, Termine Die wichtigsten Fragen zum Kinder-Impfen nach der Stiko-Empfehlung

Düsseldorf · Die Ständige Impfkommission empfiehlt eine Impfung nur für Kinder mit Vorerkrankung. Der Einsatz sei aber nach ärztlicher Beratung für alle ab 12 Jahren möglich. Kinderärzte begrüßen, dass sie nun mit den Eltern entscheiden können. Praxen führen bereits Wartelisten.

 Ein Kind bei der Impfung. (Archiv, Symbol)

Ein Kind bei der Impfung. (Archiv, Symbol)

Foto: Getty Images/iStockphoto/Drazen Zigic/istock

Die Ständige Impfkommission (Stiko) hat ihre offizielle Empfehlung vorgelegt: Wie erwartet rät sie zu einer Corona-Impfung nur für Kinder, die eine bestimmte Vorerkrankung oder gefährdete Kontaktperson haben. „Der Einsatz bei Kindern im Alter von 12 bis 17 Jahren ohne Vorerkrankungen wird derzeit nicht allgemein empfohlen, ist aber nach ärztlicher Aufklärung möglich“, teilte das beim Robert-Koch-Institut angesiedelte Gremium am Donnerstag mit.

Wie begründet die Stiko ihre Empfehlung? Nach eingehender Risiko-Nutzen-Abwägung habe man sich entschieden, „zum jetzigen Zeitpunkt noch keine allgemeine Impfempfehlung für 12- bis 17-Jährige auszusprechen“, heißt es weiter. Die Daten seien bisher noch begrenzt. „Zum einen war die Zahl der in der Zulassungsstudie geimpften Kinder und Jugendliche klein (circa 1000), zum anderen war die durchschnittliche Nachverfolgungszeit (ein bis zwei Monate) kurz.“ Zudem würden Kinder ohne Vorerkrankung nur sehr selten schwer erkranken. „Insgesamt sind in Deutschland bislang nur zwei Todesfälle aufgrund einer Covid-Erkrankung bei 12- bis 17-Jährigen verzeichnet worden. Beide Verstorbenen litten an schweren Vorerkrankungen“, so die Stiko. Gleichwohl können auch Kinder von Corona schwer betroffen sein, wie NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) unlängst klar machte: In der Altersgruppe seien in Deutschland 180.000 Kinder an Corona erkrankt, davon seien 18.000 im Krankenhaus gewesen, 18 von ihnen auf einer Intensivstation.

Bei welchen Vorerkrankungen empfiehlt die Stiko die Impfung? Kinder mit diesen Vorerkrankungen sollten laut Stiko geimpft werden: Fettleibigkeit, Immundefizienz oder Immunsuppression, Zyanose (Blausucht), Herzinsuffizienz, pulmonale Hypertonie, chronische Lungenerkrankung, chronische Niereninsuffizienz, chronische neurologische Erkrankungen, Krebserkrankung, Down-Syndrom, syndromale Erkrankungen. Zudem empfiehlt die Stiko eine Impfung, wenn Kinder mit Menschen zusammenleben, die nicht geimpft oder geschützt werden können wie Transplantierte.

Dürfen trotz Stiko-Votum alle Kinder ab 12 geimpft werden? Ja. Der Impfstoff von Biontech hat von der Europäischen Arzneimittelagentur (Ema) eine uneingeschränkte Zulassung für alle ab 12 Jahren. Dies gilt auch für Deutschland. Die Stiko gibt nur eine Empfehlung ab, wie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) betont hatte. Diese ist für Ärzte nicht-bindend. Zudem verbietet die Stiko auch nicht den Piks: Die Impfung sei „nach ärztlicher Aufklärung und bei individuellem Wunsch und Risikoakzeptanz des Kindes beziehungsweise der Sorgeberechtigten möglich“, schreibt die Stiko.

Die Ema betont das Positive: Der Biontech-Impfstoff sei sehr wirksam, so Ema-Experte Marco Cavaleri unlängst. Er verwies auf Studien mit mehr als 2000 Kindern: In der Gruppe, die den Biontech-Impfstoff erhalten habe, sei kein Kind an Covid-19 erkrankt. In der Vergleichsgruppe seien dagegen 16 Kinder erkrankt. Zugleich hätten die Jugendlichen den Impfstoff sehr gut vertragen. Bei der Sicherheit und Verträglichkeit gebe es keine Unterschiede zu jungen Erwachsenen, so Cavaleri.

Welche Nebenwirkungen gibt es bei Kindern? Die Autoren einer im „New England Journal of Medicine“ veröffentlichten Studie bewerten die Impfung für die Kinder als gut verträglich: Reaktionen wie Schmerzen an der Einstichstelle oder Fieber seien überwiegend mild bis moderat gewesen. Ähnlich wie Erwachsene klagten die Kinder am häufigsten über Schmerzen an der Einstichstelle (79 bis 86 Prozent der Kinder nach der ersten beziehungsweise zweiten Dosis), Müdigkeit (60 bis 66 Prozent) und Kopfschmerzen (55 bis 65 Prozent). Etwa 20 Prozent bekamen nach der zweiten Impfung Fieber. Die Beschwerden verschwanden meist innerhalb von wenigen Tagen.Thrombosen oder einen anaphylaktischen Schock habe es im Zusammenhang mit der Impfung nicht gegeben.

Wie ist die Dosierung? Die Jugendlichen erhalten den Impfstoff von Biontech in derselben Dosierung wie Erwachsene. Sie bekommen zwei Dosen. Der Abstand muss mindestens drei Wochen betragen. In Deutschland wird für Biontech-Impfungen ein Abstand von sechs Wochen empfohlen.

Wo wird geimpft? Gesundheitsminister Laumann hält die Kinder- und Hausärzte für die richtige Adresse. Er hat sich gegen Impfungen in der Schule ausgesprochen: Der Staat solle sich neutral verhalten und weder zu- noch abraten. Viele Kinderärzte wollen zunächst Vorerkrankte impfen, dann aber allen ein Angebot machen. Viele Praxen haben Wartelisten, manche laden Kinder bereits jahrgangsweise ein. Jugendliche können theoretisch auch in Impfzentren geimpft werden, doch diese können mangels Stoff bis mindestens Mitte Juni keine Erstimpfungen vornehmen.

Was sagen die Kinderärzte? „Wenn es erst einmal genug Impfstoff gibt, werde ich alle Kinder und Jugendliche impfen, die und deren Eltern es möchten“, sagte Christiane Thiele, Chefin des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte Nordrhein (BVKJ). Ihr Kollege und BVKJ-Chef Thomas Fischbach erklärte nach der Stiko-Entscheidung: „Die Empfehlung ist eine gute Basis für einen verantwortungsbewussten Umgang von uns Kinder- und Jugendärzten mit der freiwilligen Impfung nun auch in dieser Altersgruppe. Gemeinsam mit unseren Patienten und ihren Eltern werden wir nach umfassender Beratung und Aufklärung in unseren Praxen die Impfentscheidungen treffen.“

Wer haftet, falls im Einzelfall doch etwas passiert? Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein sieht das wie das Bundesgesundheitsministerium geklärt: „Der Paragraph 60 der aktuellen Fassung des Infektionsschutzgesetzes sieht vor, dass die Haftung für Versorgungsansprüche das Land übernimmt, dies bei allen zugelassenen Arzneimitteln und unberührt davon, was die Stiko empfiehlt.“ 

Wie geht es mit der Lieferung weiter? Die aktuellen Engpässe gehen auf Produktionsverzögerungen bei Biontech zurück. Der Mainzer Hersteller hat aber versprochen, diese in Kürze aufzuholen. Und zwei weitere Hersteller von mRNA-Impfstoffen stehen in den Startlöchern: Der US-Hersteller Moderna hat gerade die Zulassung seines Mittels für Kinder in der EU beantragt. Beim Tübinger Hersteller Curevac zieht sich die Zulassung hingegen hin: „Curevac erwartet weitere Zwischenergebnisse zur Wirksamkeit des Kandidaten im Laufe des Junis. Sobald diese vorliegen, werden sie der Ema zur Verfügung gestellt.“

Die Stiko empfiehlt angesichts der Engpässe, zunächst die Erwachsenen zu impfen: „Solange noch viele Personen mit deutlich höherem Risiko ungeimpft sind, ist eine Umverteilung der Impfstoffe an gesunde Kinder epidemiologisch und individualmedizinisch nicht sinnvoll. Großeltern, Eltern, Betreuungspersonen von Kindern, Lehrer und Erzieher sollten das Impfangebot wahrnehmen“, schreiben die Experten.

(anh)
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