Niedersachsens Ministerpräsident in der Corona-Krise „Liebe NRWler, bitte bleibt zu Hause!“

Berlin · Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil ruft die Bürger aus dem benachbarten Nordrhein-Westfalen auf, an Ostern nicht in sein Bundesland zu kommen. Dass Touristen im Sommer auf die Nordseeinseln reisen dürfen, will er nicht versprechen.

 Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (Archiv).

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (Archiv).

Foto: dpa/Michael Kappeler

Die Corona-Epidemie in Deutschland überschattet das diesjährige Osterfest. Die unterschiedlichen Kontaktbeschränkungen würden zwar je nach Bundesland Reisen und Familientreffen erlauben. Um die Neuinfektionen so gut es geht abzubremsen, richtet Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) jedoch einen dringenden Appell an die Bürger des benachbarten und bevölkerungsreichsten Bundeslandes Nordrhein-Westfalen. „Wir freuen uns normalerweise sehr über Gäste aus Nordrhein-Westfalen“, sagt Weil unserer Redaktion. „In diesem Jahr aber müssen wir Sie leider bitten, an Ostern zu Hause zu bleiben.“

Dabei ist es in NRW rechtlich noch erlaubt, sich im öffentlichen Raum mit Großeltern, Eltern, Kindern und Enkeln zu treffen. Auch in Niedersachsen sind Angehörige – genauer wird die Verordnung nicht – von Kontaktsperren ausgenommen. Weil betont aber, dass man mit zahlreichen Maßnahmen die Ausbreitung des Coronavirus eindämmen wolle. Auch die in Niedersachsen lebenden Menschen seien aufgefordert, soweit wie möglich zu Hause zu bleiben und ihre Kontakte auf ein absolutes Minimum zu reduzieren. „Genau darum bitten wir auch unsere Nachbarn im Westen“, sagt Weil.

Für Touristen gibt es ohnehin kaum noch Möglichkeiten, ein paar Tage in Niedersachsen auszuspannen. Die Inseln sind tabu und an Ostern sollen laut Weil weitere touristische Hotspots im Land für alle Gäste gesperrt werden. Vor etwa zwei Wochen war das noch anders. Da sind innerhalb kurzer Zeit sehr viele Menschen aus Nordrhein-Westfalen auf den Inseln angekommen, wie Weil bestätigt. Es gab Berichte über ablehnendes Verhalten der Insulaner. Weil sieht darin spontane Reflexe einzelner Inselbewohner aufgrund der Sorge, dass das eigene Gesundheitssystem überfordert sein könnte. „Hätten einige davon das Coronavirus mitgebracht und weitergegeben und wäre es zu Erkrankungen gekommen, wäre die medizinische Versorgung auf den Inseln wohl zusammengebrochen“, so der Ministerpräsident. Er hoffe aber sehr, dass die Corona-Pandemie bald Geschichte sei. „Und dann sind alle Nordrhein-Westfalen wieder herzlich willkommen auf den ostfriesischen Inseln.“

Die Inseln nehmen immer mehr Touristen auf. 2013 gab es noch fünf Millionen Übernachtungen, 2019 waren es bereits 5,8 Millionen. Viele davon werden von Menschen aus NRW gebucht, häufig schon weit im Voraus. Ob das Sommergeschäft in diesem Jahr jedoch wie geplant verlaufen kann, ist ungewiss. „Unser Wunsch ist es natürlich, dass die Sommersaison irgendwann starten kann, aber versprechen kann ich das nicht“, sagt Weil. „Wir müssen jetzt erst einmal beobachten, wie das Infektionsgeschehen sich weiter entwickeln wird und ob unsere Krankenhäuser mit den befürchteten größeren Patientenzahlen klarkommen werden.“

Unterdessen werden manche Insulaner kreativ. Ein Mitarbeiter der Kurverwaltung der Insel Baltrum schlug jüngst in einer E-Mail an die Bewohner vor, dass sie ein „Konjunktur-Paket von Baltrumern für Baltrumer“ organisieren könnten. Wenn Restaurants und Geschäfte wieder öffnen dürften, wären alle Baltrumer dazu aufgerufen, sich einen Tag lang von morgens bis abends bei den Nachbarn „durchzufuttern“ und shoppen zu gehen, schrieb er. „Hier Frühstück, dort Blumen oder neuen Pulli kaufen, hier Tee und Kuchen, dort Essen gehen, und zum Abschluss treffen sich alle zum Bier“, heißt es in der E-Mail. Landesvater Stephan Weil hält wegen des weiterhin wichtigen Infektionsschutzes wenig davon. „Tut mir leid, das in dem Brief der Kurverwaltung Baltrum beschriebene Szenario ist leider nicht sehr realistisch“, sagt er. Den Wunsch der Menschen auf der Insel, irgendwann wieder alle auszuschwärmen und die Restaurants und Geschäfte auf Baltrum wieder mit Leben und Umsatz zu füllen, könne er gut verstehen. „Aber wir werden sicher nicht zeitnah Geschäfte und Restaurants gleichzeitig wieder öffnen können“, sagt Weil. Nach Ostern werde man sehr umsichtig über etwaige Lockerungen diskutieren.

Dabei mahnt der SPD-Politiker ein Zusammenspiel aller Bundesländer an. Mit NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) verstehe er sich gut. „Einig sind wir uns übrigens auch darin, dass es klug wäre, wenn alle weiteren Entscheidungen zu gegebener Zeit einvernehmlich zwischen den Ländern aufeinander abgestimmt erfolgen würden – und zwar ohne Alleingänge“, sagt Weil. Gelegenheit dazu soll es am kommenden Mittwoch geben, wenn die Bundesregierung mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder über das weitere Vorgehen beraten wird.

(jd)
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