Aufklärung statt Zwang So reagieren Politik und Wirtschaft auf Söders Impfpflicht-Idee

Berlin · Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder hat mit seiner erneuten Forderung nach einer Impfpflicht-Debatte für Pflegekräfte in Alten- und Pflegeheimen scharfe Kritik geerntet. Stattdessen wird die Forderung nach besserer Aufklärung laut.

 Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (Archivbild).

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (Archivbild).

Foto: dpa/Peter Kneffel

So sieht Gesundheitsminister Jens Spahn eine Impfpflicht für Pflegekräfte kritisch. "Wir setzen weiterhin auf Aufklärung", sagt der CDU-Politiker nach Informationen von Reuters aus Teilnehmerkreisen in der CDU/CSU-Fraktionssitzung. Er halte deshalb nichts von Diskussionen über eine Impfpflicht, und ihm gefalle die Tendenz der Debatte nicht. Wichtig sei vielmehr die Wertschätzung der Pflegekräfte.

Die Bundes-SPD weist den Vorstoß des bayerischen Ministerpräsidenten deutlich zurück. „Unser Ziel ist es, Menschen zu überzeugen. Eine Impfpflicht lehnen wir ab“, sagte SPD-Fraktionsvize Bärbel Bas am Dienstag. Viele Pflegekräfte seien sich ihrer Verantwortung durchaus bewusst und ließen sich selbstverständlich impfen. Die Menschen, die noch skeptisch seien, gelte es zu überzeugen.

Auch Friedrich Merz, Kandidat für den CDU-Vorsitz, äußerte sich skeptisch. „Ich bin kein Freund einer Impfpflicht“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland und plädierte für eine „deutliche Empfehlung“ für eine Impfung. Und auch Politiker der Opposition kritisierten Söders Vorstoß. Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth sagte „MDR Aktuell“, sie halte nichts davon. „Das ist immer wieder auch von Frau Merkel gesagt worden: Es soll keine Impfpflicht geben.“

Die Diskussion über eine Impfpflicht für Pflegeberufe lenke zudem vom eigentlichen Problem ab, sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz Eugen Brysch der Deutschen Presse-Agentur. „So eine Schärfe spielt Impfgegnern in die Hände.“ Impfungen seien wichtig, um die Corona-Pandemie zu bewältigen. Es gebe aber viel zu wenig Impfangebote.

Gegen eine Impflicht für Pflegekräfte sprachen sich auch deutsche Pflegeverbände aus. „Deutschlands Pflegefachpersonen benötigen keine Impfpflicht gegen das Corona-Virus“, so der Präsident des Deutschen Pflegerats (DPR), Franz Wagner in einer Mitteilung am Dienstag. „Zwang schafft keine guten Lösungen.“ Auch die Bundespflegekammer „hält nichts“ von einer derartigen Regelung. Stattdessen forderten sie mehr Aufklärung.

Verdi-Chef Werneke rief Beschäftigte dazu auf, sich impfen zu lassen. „Nach Abwägung aller Chancen und Risiken ist es schon aus Gründen des Selbstschutzes und des Schutzes der Angehörigen angeraten, sich impfen zu lassen, sofern nicht ernste gesundheitliche Gründe dagegen sprechen“, sagte er.

Klar für eine Impfpflicht sprach sich dagegen Weltärztepräsident Frank-Ulrich Montgomery aus. Für Pflegekräfte und medizinisches Personal sei eine berufsspezifische Impfpflicht sinnvoll, sagt der Vorsitzende des Weltärztebundes den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Der Mediziner forderte zudem weitreichendere Schritte: "Auf Dauer brauchen wir eine allgemeine Impfpflicht gegen Corona." Dazu müssten jedoch genügend Erkenntnisse über langfristige Nebenwirkungen der Corona-Impfstoffe vorliegen und genug Impfstoffdosen bereitstehen, um allen ein Angebot machen zu können.

(felt/dpa/Reuters)
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