Dennis, 28 Jahre, Long Covid „Wenn ich 4000 Schritte am Tag gehe, liege ich danach eine Woche im Bett“

Düsseldorf · Sie sind jung, sie haben Long Covid – und sie sind verzweifelt. Mit einer Instagram-Kampagne möchten junge Betroffene mehr Aufmerksamkeit gewinnen und vor allem eine schnellere Zulassung des Medikamentes BC 007 erreichen. Es gilt als Hoffnungsträger gegen die Krankheit.

 Die tiefe Erschöpfung ist eine der häufigsten Beschwerden von Long Covid-Patienten.

Die tiefe Erschöpfung ist eine der häufigsten Beschwerden von Long Covid-Patienten.

Foto: dpa-tmn/Christin Klose

Sein großer Traum ist es, Pilot zu werden. Dafür hat Dennis R. seine bayerische Heimat verlassen und das Referendariat fürs Lehramt an den Nagel gehängt. Nun lebt der 28-Jährige in der Nähe von Mönchengladbach und kämpft seit Monaten einen ganz anderen Kampf: Der Gegner heißt Long Covid. Seinen Nachnamen möchte Dennis nicht nennen. „Ich habe Sorge, dass mir das in meiner Ausbildung schaden könnte“, sagt er.

„Das schlimmste ist die Erschöpfung, die Fatigue“, sagt der junge Mann. „Dagegen bringt nichts irgendwas. Wenn man einfach nur müde ist, trinkt man einen Kaffee oder schläft sich aus – bei der Fatigue hilft alles nichts.“ Dabei verlief seine Corona-Infektion zunächst unproblematisch. Im April 2021 erkrankte R. an Covid-19. „Es war ein einigermaßen milder Verlauf, ich fühlte mich wie bei einer starken Grippe, aber nach zwei Wochen ging es mir wieder super“, erinnert er sich. „Auffällig war nur, dass ich viel mehr geschwitzt habe als vor der Erkrankung, aber das hat mich nicht weiter gestört“, erinnert er sich. Im Spätsommer ließ er sich impfen, Corona war längst abgehakt.

„Dann nach etwa sechs Monaten, fühlte ich mich plötzlich dauerhaft krank“, erzählt R. Erst waren es zwei Wochen, dann wurden es fünf. Der Hausarzt vertröstete ihn zunächst: Das sei eben manchmal so. R. wollte das so nicht hinnehmen. „Als es nach zwei Monaten immer noch nicht besser ging, bin ich zum Arzt und habe auf weitere Untersuchungen bestanden“, erzählt er. Ein Blutbild wurde gemacht, Besuche bei Fachärzten folgten.

Eine zermürbende Zeit, in der nach und nach weitere Symptome hinzukamen: Herzstechen, Muskelschmerzen, Konzentrationsstörungen. Dennis R.: „Von Long Covid hat während dieser Zeit aber nie ein Arzt gesprochen.“ Überhaupt sei die Diagnose eher eine Art Ausschlussdiagnose. Rund 200 Symptome beschreibt die Fachliteratur für Long Covid. „Ich habe ungefähr 20 davon“, sagt R.

Das Team der Instagram-Kampagne #nichtgenesen

Das Team der Instagram-Kampagne #nichtgenesen

Foto: privat

Am meisten belastet ihn die ständige Abgeschlagenheit: „Früher war ich viermal in der Woche im Fitnessstudio und immer sehr sportlich. Wenn ich heute mehr als 4000 Schritte an einem Tag gehe, liege ich danach eine Woche lang im Bett.“

Der 28-Jährige ist gut informiert und gibt sich seinem Schicksal nicht wehrlos hin. Er kennt den aktuellen Stand der Forschung und will auch seine Ausbildung um jeden Preis schaffen. Die Theorie hat er kürzlich erfolgreich absolviert. Von seinem Ausbildungspartner musste er sich trennen, er konnte bei dessen Lern-Geschwindigkeit einfach nicht mithalten. „Ich habe natürlich große Ängste und Sorgen. Einen Acht-Stunden Tag zu bewältigen, ist für mich derzeit nicht vorstellbar“, sagt er.

Dennis’ größte Hoffnung ist das Medikament BC 007. Diese Arznei entwickelten Forscher ursprünglich gegen die schwere autoimmunbedingte Herzinsuffizienz. Es greift Autoantikörper an, die der Körper bei verschiedenen Erkrankungen bildet. Eher per Zufall entdeckten Erlanger Forscher im vergangenen Jahr, dass BC 007 offenbar auch gegen Long Covid helfen kann. Es gelang ihnen in einzelnen Heilversuchen, Long-Covid-Patienten mit BC 007 innerhalb kürzester Zeit nahezu beschwerdefrei zu machen (die RP berichtete).

Nun müssen weitere Studien diese ersten vielversprechenden Ergebnisse untermauern. Denn bis heute ist BC 007 noch nicht zugelassen. Ursprünglich wurde dieses die Durchblutung fördernde Medikament als Herzmittel entwickelt. Aktuell läuft eine Zulassungsstudie zur Behandlung schwerer Herzerkrankungen. Die Uni Erlangen hat bereits Studien zur Wirkung von BC 007 auf Long Covid begonnen. „Auf dieses Medikament warten Menschen auf der ganzen Welt. Warum kann man hier nicht eine Notfallzulassung auf den Weg bringen? Bei der Impfung ging das doch auch“, meint Dennis R.

Der Hersteller, die Firma Berlin Cures, plant für den Sommer eine groß angelegte klinische Studie in mehreren Ländern und mit vielen beteiligten Kliniken auch in Deutschland. Auf der Seite des Unternehmens heißt es dazu: „Berlin Cures plant eine multizentrische, multinationale, doppelblinde, randomisierte Studie durchzuführen mit dem Ziel, in Abstimmung mit den zuständigen internationalen Zulassungsbehörden eine beschleunigte Zulassung für BC 007 bei Long-Covid-Syndrom zu erreichen.“

Für Dennis R. und andere Betroffene wäre dies ein erster echter Hoffnungsschimmer auf ihrem Leidensweg. Gemeinsam mit anderen betroffenen jungen Menschen hat R. eine Instagram Kampagne gestartet: „Wir wollen aufklären über diese zermürbende Krankheit; informieren und vor allem mehr Öffentlichkeit schaffen.“ Die Politik tue noch viel zu wenig. Dennis R.: „Es fehlt die Aufmerksamkeit.“

Die ist aber dringend nötig, gerade weil auch jüngere Menschen, die eigentlich aktiv im Berufsleben stehen, betroffen sind. Der Blick auf die Instagram-Seite ist schockierend und zeigt schonungslos, wie sich Long Covid anfühlt: „Wir haben uns nicht in der einen Stunde am Tag fotografiert, wo wir vielleicht gerade einmal vor die Türe gehen können, sondern zeigen uns so, wie wir uns die allermeiste Zeit des Tages fühlen: schlapp und erschöpft und im Bett liegend.“

Diese Seite rüttelt auf. „Wir fordern eine massive Ausweitung der biomedizinischen Long-Covid-Forschung. Und wir fordern eine schnelle Zulassung des Medikaments BC007“, schreiben die Macher der Seite. Rund 400 Teilnehmer machen bereits mit, es werden täglich mehr. In Zeiten steigender Inzidenzen und angesichts der nächsten Coronawelle im Herbst wird auch die Zahl Long-Covid-Erkrankter wachsen.

Seine Ausbildung erfolgreich zuende bringen, das ist heute Dennis‘ größtes Ziel. Und er bleibt optimistisch: „Vielleicht wird es ein wenig länger dauern, als bei den anderen, aber am Ende möchte ich im Cockpit sitzen. Das ist mein großes Ziel, daran glaube ich fest .“

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