Urlaub an der Adria Kroatien droht Wirtschaftskrise nach Corona-Sommer

Zagreb · Obwohl der Besucherandrang stärker ist als erwartet, verläuft Kroatiens Hochsaison unruhiger als erhofft. Die Corona-Krise lässt die gesamte Wirtschaft des EU-Neulings um die Saison bangen. Währenddessen steigt die Zahl der Neuinfektionen langsam wieder.

 Eigentlich ein Tourismusmagnet: die kroatische Stadt Dubrovnik.

Eigentlich ein Tourismusmagnet: die kroatische Stadt Dubrovnik.

Foto: dpa/Grgo Jelavic

Selten lösten Stauwarnungen solch eine Erleichterung aus. Zufrieden vermeldeten Kroatiens Medien am vergangenen Wochenende ein starkes Verkehrsaufkommen in Richtung Küste und lange Wartezeiten an den Grenzen. In den ersten zehn Julitagen der Corona-Saison machten sich über eine halbe Million Touristen zur Adria auf: Die Zahl der Übernachtungen liegt bisher bei 53 Prozent des Vorjahres. „Solch ein Resultat haben wir nicht erwartet,“ sagt Tourismusminister Gari Capelli. Die Anzahl der deutschen Gäste sei nur um ein Zehntel geschrumpft: „Wir haben praktisch kein Problem mit Covid-19: Überall wird auf die Sicherheit geachtet.“

Tatsächlich sind Hotelbetten, Ferienwohnungen und Campingplätze besonders in den Ferienzielen an der nördlichen Adria gut gefüllt: Neben deutschen Gästen steuern vor allem Slowenen, Tschechen und Österreicher die per Auto leicht erreichbaren Touristenhochburgen in Istrien und an der Kvarner Bucht an.

Weiter im Süden herrscht bei den Adria-Gastronomen hingegen Katzenjammer. Während das Passagieraufkommen der Fähren zu den zentraldalmatinischen Inseln im Hafen von Split erst bei gut einem Viertel des Vorjahresniveaus liegt, schlendern weiter südlich nur wenig Souvenirjäger durchKostenpflichtiger Inhalt die sonst so beengten Gassen von Dubrovnik: Die Zahl der Übernachtungen in der entvölkerten „Adria-Perle“ hat nicht einmal 15 Prozent des Vorjahrs erreicht.

Doch obwohl der Besucherandrang insgesamt wesentlich stärker ist als befürchtet, verläuft Kroatiens Hochsaison unruhiger als erhofft. Die auch im Küstenstaat wieder aufgeflackerte Viruskrise lässt nicht nur Hoteliers und Gastronomen, sondern Kroatiens gesamte Wirtschaft um die Saison bangen.

Auch dank der vergleichsweise niedrigen Zahl von bisher insgesamt 3953 bestätigten Infektionen und 120 Toten preist sich Kroatien ausländischen Gästen als relativ sicheres Urlaubsziel an. Tatsächlich lag die Zahl der Neuinfektionen wochenlang im einstelligen Bereich. Doch seit einem Monat steigen die Infektionszahlen wieder. So wurden am Mittwoch in Kroatien 92 neue Infektionen vermeldet: Damit ist die Zahl der aktiven Fälle innerhalb eines Monats von sieben auf 1204 geklettert.

Im Gegensatz zu den ex-jugoslawischen Nachbarländern Serbien und Bosnien und Herzegowina, wo die Epidemie außer Kontrolle zu geraten droht, scheinen Kroatiens Gesundheitsbehörden weiter Herr der Lage zu sein. Neuinfektionen werden vor allem im Hinterland der Küste wie der Hauptstadt Zagreb, Slawonien und zuletzt in Karlovac vermeldet: Auf den meisten Inseln ist bisher kein einziger Corona-Fall registriert worden.

Doch im Gegensatz zum Mai, als sich die Zahl der Neuinfektionen in einigen Regionen in Richtung null zu bewegen schien, ist das epidemiologische Bild keineswegs mehr ungetrübt: Slowenien hat Kroatien bereits von der „grünen Liste“ der unbedenklichen Reiseziele gestrichen und die Warnstufe auf „gelb“ gesetzt.

Der Verlauf der Saison sei noch „ungewiss“, warnt Tomislav Fajn, der Vorsitzende des Verbands der Reisebüros. Bei einem „guten epidemiologischen Bild“ würden die Reservierungen anziehen, bei steigenden Infektionen die Zahl der Stornierungen in die Höhe klettern: „Es hängt alles von uns ab. Wir müssen uns an die Vorsichtsmaßnahmen halten. Denn mehr Infektionen bedrohen nicht nur die Saison, sondern auch Arbeitsplätze.“

Tatsächlich wird laut EU-Angaben ein Viertel des kroatischen Sozialprodukts im Fremdenverkehr erwirtschaftet: Kein Land in der EU hängt so stark vom Fremdenverkehr ab wie der EU-Neuling. Doch ob die Bauwirtschaft, Banken, Handel oder der Transportsektor: Schwächelt der Tourismus, haben im Küstenstaat fast alle Sektoren zu leiden. Kroatiens Industrieproduktion sei bereits seit Ende 2019 ständig geschrumpft und weise in der EU nach Irland mittlerweile die größten Einbrüche auf, warnt die Zeitung „Novi List“ in Rijeka: „Corona hat den Absturz noch beschleunigt.“

Brüssel prognostiziert für das nach Bulgarien zweitärmste EU-Mitglied für 2020 mittlerweile ein Minuswachstum von 10,8 Prozent. Selbst die für 2021 erwarteten Zuwächse dürften die Einbrüche kaum wettmachen – und sie sind keineswegs gewiss.

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