Sorge vor Leichtsinn Krankenkassen warnen vor Corona-Antikörper-Tests

Düsseldorf · Die Ergebnisse könnten Patienten in trügerischer Sicherheit wiegen, fürchtet der Medizinische Dienst der Krankenkassen. Auch andere Igel-Leistungen wie den PSA-Test für Männer oder den Eierstock-Ultraschall sieht er kritisch.

 Beim Antikörper-Test.

Beim Antikörper-Test.

Foto: dpa/Marijan Murat

Für Ärzte sind sie ein Zusatzgeschäft, für Kassenpatienten eine heikle Sache: individuelle Gesundheitsleistungen (Igel-Leistungen), die die Versicherten selbst zahlen müssen. Der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDS) warnt nun, einige Zusatzleistungen könnten nicht nur teuer, sondern sogar schädlich sein. „Zwei der Topseller – die Augeninnendruck-Messung zur Glaukom-Früherkennung und der Ultraschall der Eierstöcke – schaden eher als dass sie nützen, sagte MDS-Chef Peter Pick. Sie widersprächen den Empfehlungen ärztlicher Fachgesellschaften, die Konsequenzen falsch positiver Befunde seien hoch.

Laut der aktuellen MDS-Umfrage wurden 22 Prozent der Patienten in den vergangenen drei Jahren eine Augeninnendruck-Messung angeboten, 18 Prozent ein Ultraschall und sieben Prozent ein PSA-Test zur Früherkennung von Prostata-Krebs. Und in allen Fällen bewertet der Igel-Monitor, für den Wissenschaftler im Auftrag der Krankenkassen Studien auswerten, die Leistungen als tendenziell negativ.

Bei der Augeninndendruck-Messung etwa kritisieren die Experten: „Die Ergebnisse der Studien zeigen, dass die Augeninnendruck-Messung ein Glaukom nicht zuverlässig vorhersagen oder diagnostizieren kann.“ Und falsche Befunde könnten unnötige Untersuchungen und Behandlungen mit sich bringen.

Zum PSA-Test heißt es: Von fünf großen Studien zeigten nur zwei, dass der PSA-Test Männer davor bewahren kann, an Prostatakrebs zu sterben. „Auf einen Mann, der dank PSA-Test nicht am Prostatakrebs stirbt, kommen vermutlich 30 Männer, die unnötig behandelt werden, weil ihr Tumor zeitlebens gar nicht aufgefallen wäre.“

Noch harscher fällt das Urteil über den Eierstock-Ultraschall aus, diese Igel-Leistung bewertet der Monitor als „negativ“: „Mit Ultraschalluntersuchung sterben gleich viele Frauen an Eierstockkrebs wie ohne Untersuchung. Diese und andere Studien zeigen jedoch, dass Frauen durch Fehlalarme häufig unnötig beunruhigt und sogar eigentlich gesunde Eierstöcke entfernt werden“, warnen die Experten. Zugleich betonen sie: Besteht etwa nach der Tastuntersuchung ein Verdacht auf Eierstockkrebs, sei der Ultraschall natürlich eine Kassenleistung.

Doch die Zahl der individuellen Gesundheitsleistungen wächst. Neuerdings bieten Ärzte Corona-Antikörper-Tests an. Doch auch diese sehen die Kassen-Experten kritisch. Michaela Eikermann, die den Bereich „Evidenzbasierte Medizin“ leitet, verweist darauf, dass die Tests mit Unsicherheiten verbunden seien und auch noch nicht klar sei, wie lange man immun bleibe. „Besonders falsch positive Ergebnisse bergen aber die Gefahr, dass sich Menschen in trügerischer Sicherheit wiegen“, so Eikermann. „Sie denken, Covid-19 kann ihnen nichts mehr anhaben und nehmen deshalb die Abstands- und Hygieneregeln möglicherweise nicht mehr ernst. Dadurch können sie sich und andere gefährden.“

54 Prozent der befragten Kassenpatienten berichteten, dass Ärzte ihnen schon einen Antikörper-Test angeboten hätten, obwohl sie keinerlei Symptome hatten. Eine stichprobenartige Untersuchung von Arztpraxen ergab, dass die Hälfte Antikörper-Tests anbot. Meistens setzten sie auf Labortests, zum Teil aber auch auf die umstrittenen Schnelltests. Und vor denen, so betonen die Kassen-Experten, warnen sowohl das Robert Koch-Institut als auch die Fachgesellschaft der Hausärzte.

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