Akuter Kondommangel Millionen Paare können wegen Corona nicht verhüten

Berlin · Die Corona-Krise hat auch Auswirkungen auf das Sexleben der Menschen auf dem Globus. Denn Millionen Paare weltweit können wegen der Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus nicht verhüten. Welche Länder das besonders trifft.

 Die Kondomproduktion stand wegen Corona zum teil still.

Die Kondomproduktion stand wegen Corona zum teil still.

Foto: dpa/Oliver Berg

„Die Lieferketten für Kondome sind unterbrochen“, sagte der Geschäftsführer der Stiftung Weltbevölkerung, Jan Kreutzberg, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Aber auch andere Verhütungsmittel seien in vielen Regionen knapp. Das treffe Frauen und Mädchen in Entwicklungsländern am stärksten.

„Besonders in männerdominierten Gesellschaften ist es durch die Ausgangsbeschränkungen für die Frauen noch zusätzlich schwierig“, sagte Kreutzberg. Sie könnten kaum mehr unbemerkt auf den Markt, zur Apotheke oder einem Gesundheitszentrum gelangen. „Weil viele Männer gegen Familienplanung sind, müssen die Frauen oft heimlich verhüten.“

Bis zu 9,5 Millionen Mädchen und Frauen könnten nach Berechnungen der britischen Hilfsorganisation Marie Stopes International in diesem Jahr wegen der Corona-Maßnahmen ihren Zugang zu Verhütungsmitteln verlieren. Die Folge wären demnach allein in den 37 Ländern, in denen die auf Familienplanung spezialisierte Organisation tätig ist, bis zu drei Millionen ungewollte Schwangerschaften. Zudem drohten bis zu 2,7 Millionen unsichere Abtreibungen. Bis zu 11.000 Mädchen und Frauen könnten an Komplikationen bei der Schwangerschaft oder infolge eines Abbruchs sterben.

Die Mehrzahl der Präservative, die auch von Hilfsorganisationen verteilt würden, werde in Malaysia und Thailand hergestellt, sagte Kreutzberg. Doch nun seien viele Fabriken zu, Grenzen geschlossen, Transportwege deutlich reduziert, die Zollabfertigung sehr viel langsamer. Hormonbasierte Verhütungsmittel wie die Pille, Injektionen und Spiralen kämen aus China oder Indien, mit den gleichen Lieferschwierigkeiten.

Wegen der Schulschließungen erhalten laut Kreutzberg viele Jugendliche keine Sexualerziehung. „Es gibt Aufklärungsprogramme über die Medien, aber man erreicht nur einen Bruchteil der Mädchen und Jungen.“ Zwar nehmen durch die geschlossenen Schulen nach Kreutzbergs Einschätzung die Begegnung zwischen den Geschlechtern und damit auch die spontanen Sexualkontakte ab. „Aber wenn es dazu kommt, resultiert es erheblich öfter in einer Schwangerschaft.“ Experten befürchten eine deutliche Zunahme von Teenager-Schwangerschaften durch die Corona-Maßnahmen.

„Es ist entscheidend, dass die Regierungen genügend Mittel für die Familienplanung bereitstellen“, betonte Kreutzberg. Sie trage erheblich zu Armutsbekämpfung und Gleichberechtigung bei.

(mja/epd)
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