Bereits 77 Fälle in Großbritannien Indische Variante B.1.617 vereinigt zwei gefährliche Mutationen

Mumbai · Indien wird derzeit von explodierenden Corona-Infektionszahlen heimgesucht. Offenbar ist eine neue und sehr ansteckende Mutante um Umlauf. Hinduistische Feierlichkeiten begünstigen die steigenden Fallzahlen.

 Gläubige nehmen anlässlich des Kumbh Mela, dem größten religiösen Fest des Hinduismus, ein traditionelles Bad im Ganges.

Gläubige nehmen anlässlich des Kumbh Mela, dem größten religiösen Fest des Hinduismus, ein traditionelles Bad im Ganges.

Foto: dpa/Karma Sonam

Eine Infektion mit dem Coronavirus muss man sich wie einen gelungenen Einbruchsversuch vorstellen. Und da die Eindringlinge dauerhaft erfolgreich sein wollen, lassen sie sich immer neue Tricks einfallen, um ins Haus – in diesem Fall die Wirtszelle – zu gelangen. Auf die Medizin übertragen, heißt das: Die Dietriche werden raffinierter, die Spuren seltener, und manchmal gelingt es den Übeltätern sogar, die Alarmanlagen des Immunsystems zu umgehen.

So ähnlich muss man sich die Mutationen bei Sars-CoV-2 vorstellen. Ein Virus, dem sich kein Widerstand entgegenstellt, muss sich nicht verändern. Nun aber gibt es Impfungen, erste Medikamente, Masken, gewandeltes Bewusstsein, Hygiene – und in der Folge verwandelt sich das Virus. Die neueste Variante sucht derzeit Indien heim, dort ist durch Genomsequenzierungen eine Fusion aus britischer und südafrikanischer Variante festgestellt worden; sie wird in der Fachwelt unter dem Namen B.1.617 geführt.

Ob die Mutante B.1.617 tatsächlich für alle Fälle der in der vergangenen Tagen exorbitant gestiegenen Neuinfektionen in den indischen Ballungszentren verantwortlich ist, kann derzeit niemand sagen. „Die Anzahl der Proben ist noch sehr gering – daher können wir nicht direkt darauf schließen, dass der Anstieg durch die Variante verursacht wird“, sagte Sujeet Kumar Singh, Direktor der staatlichen indischen Gesundheitsbehörde, dem „India Express“. Fachleute vermuten jedenfalls, dass das hinduistische Kumbh-Mela-Fest, das mit einer Waschung in einem heiligen Fluss verbunden ist und viele Menschen mobilisiert, für die Verschärfung verantwortlich ist. Bereits vor dem Diwali-Fest im vergangenen November hatten Experten vor einem Superspreder-Event gewarnt.

Sicher ist allerdings, dass diese indische Mutante ebenfalls ihren Weg um die Welt zieht; in Großbritannien ist sie bereits angekommen. Dort meldet der medizinische Informationsdienst der Regierung (PHE) bereits 77 Fälle. Auch diese Behörde sagt: Die B.1.617-Variante ist eine Kombination aus mehreren Mutationen.

Die entscheidende Frage ist neben der Kontrollierbarkeit der Mutationen: Wie gut lässt sich B.1.617 durch Impfstoffe in Schach halten? Wie ansteckend ist diese indische Mutante, und erhöht sie möglicherweise die Sterblichkeit?

In Großbritannien zeigt man sich besorgt: „Das wird sehr schwierig für die vorliegenden Impfstoffe“, meint Paul Hunter von der Universität Norwich gegenüber dem „Guardian“. Das liege daran, dass in B.1.617 offensichtlich mindestens zwei gefährliche Mutationen vereint seien. Der Düsseldorfer Virologie-Professor Jörg Timm sagt unserer Redaktion gleichwohl: „Menschen, die vollständig geimpft sind oder eine schwerere Covid-19-Infektion durchgemacht und dadurch eine gewisse Immunität erlangt haben, können vermutlich seltener schwer an einer Infektion mit einer Mutante wie B.1.617 erkranken.“

Doch auch hier gilt: Genauere Erkenntnisse werden erst die kommenden Monate bringen.

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