Impfstoff-Hoffnung aus Mainz Biontech hält eigenen Impfstoff für sehr wirksam

Mainz · Das Mainzer Unternehmen hat erste Daten zu seinem Impfstoffkandidaten vorgelegt. Dem Präparat wird eine Wirksamkeit von 90 Prozent attestiert. Die Fachwelt ist begeistert.

 Ist der Straßenname Programm? Das Biontech-Logo an der Unternehmenszentrale in Mainz.

Ist der Straßenname Programm? Das Biontech-Logo an der Unternehmenszentrale in Mainz.

Foto: dpa/Arne Dedert

Es ist eine Nachricht, die aufhorchen lässt: Das Mainzer Unternehmen Biontech hat vermeldet, dass der hauseigene Corona-Impfstoffkandidat eine Wirksamkeit von 90 Prozent aufweise. So steht es in einer Mitteilung des Konzerns, in der zum ersten Mal Zwischenergebnisse zu einem für Europa maßgeblichen Corona-Impfstoff aufgeführt sind. Biontech arbeitet bei der Erforschung eines Vakzins gegen Sars-CoV-2 mit dem US-Unternehmen Pfizer zusammen. dessen Aktien im vorbörslichen US-Geschäft prompt um knapp zwölf Prozent zulegten. Auch Biontech verbuchte einen klaren Kursgewinn.

Der gemeinsame Impfstoffkandidat heißt BNT162b2. Schwere Nebenwirkungen seien nicht registriert worden, heißt es vonseiten der Unternehmen. Biontech und Pfizer wollen voraussichtlich ab der kommenden Woche die Zulassung bei der US-Arzneimittelbehörde FDA beantragen.

BNT162b2 ist ein sogenannter RNA-Impfstoff. Er enthält genetische Informationen des Coronavirus, aus denen der Körper ein Viruseiweiß herstellt – in diesem Fall das Oberflächenprotein, mit dessen Hilfe das Virus in Zellen eindringt. Ziel der Impfung ist es, den Körper zur Bildung von Antikörpern gegen dieses Protein anzuregen. Die für die Zulassung des Vakzins entscheidende Phase-3-Studie begann ab Ende Juli in verschiedenen Ländern. Inzwischen haben mehr als 43.500 Menschen mindestens eine der beiden Impfungen bekommen, die im Abstand von drei Wochen verabreicht werden. Ein Impfschutz wird nach Angaben der Hersteller eine Woche nach der zweiten Injektion erreicht.

In der Studie wurden demnach bis Sonntag insgesamt 94 Fälle der Krankheit bestätigt. Die Ergebnisse werden den Angaben zufolge erst dann abschließend ausgewertet, wenn insgesamt 164 Fälle erreicht sind. Zudem werde geprüft, in welchem Maß die Impfung nicht nur vor Covid-19 schützt, sondern auch vor schweren Verläufen der Krankheit. Insgesamt sollen sowohl die Schutzwirkung als auch etwaige Nebenwirkungen über einen Zeitraum von zwei Jahren beobachtet werden.

Clemens Wendtner, Chefarzt der Infektiologie an der München-Klinik Schwabing nannte die Ergebnisse einen „Silberstreifen an dem sonst so düsteren Horizont“. Die Wirksamkeit von BNT162b2 sei bemerkenswert, da viele laufende Impfstudien zu Covid-19 lediglich eine Erfolgsquote von mindestens 50 Prozent voraussetzten. Wendtner hatte als Erstes in Deutschland Covid-19-Patienten behandelt. „Die übergeordnete Botschaft ist, dass ein völlig neues Impfprinzip auf der Basis von passgenauen mRNA-Impfstoffen erstmalig seine Effektivität bewiesen hat.“ Bislang ist noch kein RNA-Impfstoff entwickelt worden.

Gerd Fätkenheuer, Leiter der Infektiologie an der Uniklinik Köln, meint: „Ich denke, das wird unseren Umgang mit der Pandemie entscheidend beeinflussen.“ Den beteiligten Forschern könne man nur gratulieren. Auch Marylyn Addo vom Universitätsklinikum Eppendorf in Hamburg sieht „interessante erste Signale“. Die Infektiologin weist aber auch darauf hin, dass noch keine Primärdaten zur Verfügung stünden.

Offen ist, wann die ersten Impfdosen zur Verfügung stehen. Die Bundesregierung rechnet frühestens im ersten Quartal 2021 mit einem fertigen und zugelassenen Kandidaten. Die gesetzlichen Krankenkassen werden die Kosten tragen. „Allerdings steht noch nicht fest, zu welchem Preis ein Impfstoff angeboten wird“, sagt Dirk Janssen, stellvertretender Vorsitzender des BKK-Landesverbands Nordwest. Im Jahr 2019 hätten die Kassen rund 1,3 Milliarden Euro für Impfungen ausgegeben. 2020 würden es 1,4 Milliarden sein. „2021 werden die Kosten durch herkömmliche Impfungen und jene gegen das Coronavirus grob geschätzt auf 1,9 Milliarden Euro steigen“, sagt Janssen.

Die Mehrausgaben würden sich auch in den Beiträgen bemerkbar machen. „Der Schätzerkreis hat eine Anhebung des durchschnittlichen Zusatzbeitrags für 2021 um 0,2 Prozentpunkte – von 1,1 auf 1,3 – veranschlagt. Insgesamt werden wir aber wohl mehr Anhebungen erleben.“ Da vermögensabhängig für einige Krankenkassen für Anfang 2021 ein gesetzliches Verbot zur Anhebung des Zusatzbeitrags gilt, sei in diesen Fällen spätestens Anfang 2022 mit sehr deutlichen Nachholeffekten zu rechnen.

(Reuters)
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