Fahrschulen in der Corona-Krise „Man gewöhnt sich ans Autofahren mit Maske“

Wesel · Als erstes Bundesland hat NRW in der Pandemie Fahrschulen wieder eröffnet. Dafür gibt es Kritik von der Bundesvereinigung. Fahrlehrer Volker Freigang aus Wesel berichtet von seinem Alltag in Corona-Zeiten.

 Fahrlehrer Volker Freigang mit Fahrschülerin Laura Diaz Marquez im Auto.

Fahrlehrer Volker Freigang mit Fahrschülerin Laura Diaz Marquez im Auto.

Foto: Christoph Reichwein (crei)

Volker Freigang hat in fast 40 Jahren als Fahrlehrer schon einiges erlebt. Dass seine Fahrschüler nun aber einen Mund-Nasen-Schutz beim Fahren tragen müssen, ist neu für den 61-Jährigen. Freigang betreibt drei Fahrschulen in Wesel und Hamminkeln, seit Montag darf er wieder arbeiten. „Nach sechs Wochen Pause müssen wir langsam wieder in den Alltag finden“, sagt er. „Der Andrang hält sich bislang in Grenzen, es kommen nicht so viele Fahrschüler wie sonst.“ Es habe sich offenbar noch nicht überall herumgesprochen, dass die Fahrschulen in Nordrhein-Westfalen wieder geöffnet seien.

Laura Diaz Marquez sitzt aber bereits wieder am Steuer des Fahrschulautos. Die coronabedingte Pause traf die 18-Jährige nach ihrer ersten Fahrstunde. „Ich war total genervt von der Zwangspause“, sagt sie. „Ich bin froh, dass ich jetzt wieder fahren kann.“ Anfangs sei es komisch gewesen, Handschuhe und eine Maske beim Fahren zu tragen. „Man gewöhnt sich aber daran“, sagt sie. „Für mich als Brillenträgerin ist es allerdings eine kleine Herausforderung, dass die Brille nicht beschlägt oder verrutscht.“

NRW hat den Fahrschulen als erstes Bundesland eine Ausnahmegenehmigung erteilt. Bei Fahrstunden müssen sowohl der Fahrschüler als auch der Fahrlehrer einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Außerdem muss der Fahrlehrer nach der Fahrstunde das Lenkrad und Oberflächen desinfizieren, heißt es in der Allgemeinverfügung. Eine dritte Person im Auto ist nur bei der Prüfung erlaubt. Wie der Tüv Rheinland am Freitag mitteilte, dürfen diese ab Montag wieder stattfinden. Zunächst dürfen sie in Aachen, Bonn, Düsseldorf, Köln, Mönchengladbach, Neuss und Wuppertal abgelegt werden, ab dem 11. Mai auch in weiteren Städten. Bei der theoretischen Prüfung werden weniger Teilnehmer zugelassen als bislang, um den Sicherheitsabstand einzuhalten, bei der theoretischen und praktischen Prüfung gilt Maskenpflicht.

Volker Freigang, erster stellvertretender Vorsitzender des Fahrlehrerverbands Nordrhein, ist froh über die Wiedereröffnung. „Die Fahrausbildung in Corona-Zeiten ist aber nicht ganz ohne.“ Durch die Maske beschlage die Brille von Fahrschülern häufig, das erschwere die Sicht. Außerdem nuschelten viele wegen des Mund-Nasen-Schutzes. Insgesamt kämen aber alle gut mit den Regeln zurecht. „Es ist allerdings anstrengend, die Maske acht Stunden lang zu tragen. Vor allem im Sommer wird das eine Belastung.“ Trotz der Nähe im Auto fühlt sich der 61-Jährige durch seinen Beruf nicht gefährdet. Seine Fahrschüler müssen zusätzlich zur Maske Einweghandschuhe tragen.

Die Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände (BVF) kritisiert den Vorstoß der NRW-Landesregierung hingegen. „Es ist mir unverständlich, wie man Fahrschulen öffnen lassen kann, ohne die Vorgabe, die notwendigen Schutzmaßnahmen zu ergreifen“, sagt der Vorsitzende Dieter Quentin. „Dieses Chaos darf sich auf keinen Fall in den anderen Bundesländern fortsetzen.“ Die BVF plädiert für ein bundesweit einheitliches Vorgehen. Die Bundesvereinigung betont aber die Bedeutung des Führerscheins, der für viele Jobs eine zwingende Voraussetzung sei. „Damit sind Fahrschulen ein wichtiger Baustein, damit in systemrelevanten Berufen weiterhin gearbeitet werden kann“, sagt Quentin.

Die BVF fordert deshalb eine schnelle zeitliche Perspektive für die bundesweite Öffnung von Fahrschulen. Diese sei erforderlich, um eine Insolvenzwelle zu vermeiden, so Quentin. Rund 3000 Fahrschulen in Deutschland – und damit rund 30 Prozent aller Anbieter – stehen einer Umfrage des Branchenverbandes Moving zufolge trotz der Staatshilfen vor dem Aus, wenn der Lockdown anhält.

Auch Volker Freigang hat die Corona-Krise finanzielle Probleme bereitet. „Wenn es ab jetzt aber normal weitergeht, sehe ich für uns keine langfristigen Folgen“, sagt er. In den vergangenen Jahren hätten allerdings viele Fahrschulen investiert – dieses Geld könnten sie nun auf dem Bankkonto gebrauchen.

Der Theorie-Unterricht soll gemäß der Allgemeinverfügung des Landes NRW möglichst digital stattfinden. Für Unterricht in den Fahrschulräumen gelten die üblichen Abstandsregeln, auch dort ist Mund-Nasen-Schutz vorgeschrieben. „Bestimmte Zahlen und Daten kann man auch zu Hause auswendig lernen, aber die komplette theoretische Ausbildung online zu machen, halte ich für nicht durchführbar“, sagt Freigang.

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