Experten bewerten Corona-Impfkampagne Wie sinnvoll ist eine zweite Booster-Impfung?

Düsseldorf · Um die Gesundheitssysteme nicht zu überlasten, war zuletzt immer wieder eine vierte Impfdosis beziehungsweise ein zweiter Booster im Gespräch. Fachleute erklären, wer davon profitieren könnte und wer nicht.

 Für Menschen ab 70 Jahren wird eine Impfung empfohlen.

Für Menschen ab 70 Jahren wird eine Impfung empfohlen.

Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Für viele Menschen liegt die erste Booster-Impfung nun schon mehrere Monate zurück. Sie stehen vor der Frage, ob es sinnvoll ist, mit einem zweiten Booster nachzulegen, um eine mögliche Immunantwort auf eine Corona-Infektion zu verbessern. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) plädierte jüngst noch für einen zweiten Booster ab 18 Jahren. Gegenüber der Europäischen Union drängte Lauterbach auf eine entsprechende EU-weite Empfehlung. Die Europäische Arzneimittelagentur Ema folgte seinem Vorschlag nicht und empfahl einen zweiten Booster lediglich für Menschen ab 80 Jahren. In Deutschland rät die Ständige Impfkommission zu einem zweiten Booster derzeit nur für über 70-Jährige und Menschen mit Vorerkrankungen. In den USA liegt die Altersgrenze bei 50 Jahren. Daten aus Israel zeigen bei älteren Personen nach einer vierten Dosis eine abermalige Verstärkung des Immunschutzes. Wie verhält man sich richtig?

„Die Impfung ist grundsätzlich extrem effizient“, erklärt Andreas Radbruch, wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums in Berlin. Der Anteil an Antikörpern sowie den für das Immungedächtnis wichtigen B- und T-Zellen sei selbst nach vielen Monaten etwa so hoch wie bei einer Impfung gegen Tetanus oder Masern. „Das heißt, der Schutz gegen einen schweren Krankheitsverlauf hält sehr lange an, wahrscheinlich mehrere Jahre“, sagt Radbruch. Zwar nimmt die Zahl der Antikörper nach einer Impfung kontinuierlich ab, dies hat aber für den Schutz nichts zu bedeuten, weil die verbliebenen Antikörper reifen und nur die besten übrigbleiben. Diese binden das Virus laut Radbruch zehn bis 100-mal besser als die ersten Antikörper.

Generell hält der Schutz gegen eine Infektion bei der Omikron-Variante nach einer Impfung nur kurz an. Die T-Zellen sorgen aber dafür, dass schwere Krankheitsverläufe fast vollständig verhindert werden. Schon bei einer zweifachen Impfung erzielen immungesunde Menschen damit einen lang anhaltenden Schutzeffekt, der durch eine dritte Impfung nur kurz aufgefrischt werde, sagt Christoph Neumann-Haefelin, Leiter der Arbeitsgruppe Translationale Virusimmunologie an der Klinik für Innere Medizin am Universitätsklinikum Freiburg. „Bei jungen, gesunden Menschen erreicht man damit keine große Verbesserung“, sagt Neumann-Haefelin. Dies ändert sich auch bei einer vierten Impfung kaum.

Für Christine Falk, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie sowie derzeit Mitglied des Corona-Expertenrats der Bundesregierung, ist es daher wichtig, welches Ziel man mit einem zweiten Booster verfolgt. Bei Menschen über 70 Jahre und Vorerkrankten, deren Immunsystem geschädigt sei, sei die Immunantwort auf eine Impfung oft nicht gut. „Wenn man diese Gruppen schützen will, macht es Sinn, ihnen einen zweiten Booster anzubieten“, sagt Falk. „Immungesunde Menschen unter 70 Jahren brauchen diese vierte Impfung nicht.“ So seien Menschen zwischen 60 und 70 mit einer dritten Impfung gut geschützt gegen schwere Verläufe.

Aus Sicht der drei Experten können damit Menschen unter 70, die nicht an einer schweren Vorerkrankung leiden wie etwa Krebs oder denen ein Organ transplantiert wurde, mit einer erneuten Booster-Impfung entspannt bis zum Herbst warten, wenn es einen an die Omikron-Variante angepassten Impfstoff gibt. So würden zum Beispiel alle bisherigen Corona-Mutationen die Antwort der T-Zellen nicht schwächen und das Immunsystem gewissermaßen auch künftige Varianten vorwegnehmen. Wer sich dennoch ein zweites Mal boostern lassen will, sollte einen Mindestabstand von sechs Monaten zum ersten Booster einhalten.

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