Angst vor zweiter Corona-Welle England verlängert Dauer der Selbstisolation

London · Mit Blick auf eine zweite drohende Coronavirus-Welle hat England eine Pandemie-Maßnahme verschärft. Die Dauer der Selbstisolation, im Falle einer Infektion oder typischer Symptome, wurde auf zehn Tage ausgeweitet.

 Zwei Personen mit Mundschutz am Trafalgar Square in London (Symbolfoto).

Zwei Personen mit Mundschutz am Trafalgar Square in London (Symbolfoto).

Foto: AP/Alastair Grant

Wer positiv auf den Erreger getestet wurde oder typische Symptome wie hohes Fieber oder Riech- und Geschmacksverlust hat, muss künftig mindestens zehn Tage in Selbstisolation. Bisher waren mindestens sieben Tage vorgesehen. Es sei nicht auszuschließen, dass Infizierte auch noch nach einer Woche den Erreger verbreiten könnten, begründete der britische Gesundheitsminister Matt Hancock den Schritt am Donnerstag in London.

Der Sender BBC kritisierte die Maßnahme als überfällig: Zahlreiche Staaten hätten schon längst die zehntägige Quarantäne angewiesen. „Die Entscheidung hätte in Wahrheit schon vor Wochen, wenn nicht gar Monaten getroffen werden können“, hieß es in einem Kommentar.

Premierminister Boris Johnson und Hancock hatten bereits in Interviews ihre Sorge wegen der potenziellen zweiten Infektionswelle geäußert. Sie sei „eindeutig in Europa am Entstehen“ und dürfe nicht Großbritannien erreichen, sagte der Gesundheitsminister. Großbritannien ist das am schlimmsten von der Pandemie betroffene Land in Europa. Der Regierung wird vorgeworfen, zu spät und falsch auf die Corona-Krise reagiert zu haben. Jeder Landesteil entscheidet über seine eigenen Maßnahmen im Kampf gegen die Pandemie.

Nach Angaben des Epidemiologen und Ex-Regierungsberaters Neil Ferguson vom Imperial College hätte mindestens die Hälfte der fast
46 000 Sterbefälle in Großbritannien verhindert werden können, wären die Ausgangsbeschränkungen im März eine Woche früher durchgesetzt worden. Auch die massenhafte Überführung nicht getesteter Patienten aus Kliniken in Pflegeheime gilt als Fehler mit tödlichen Folgen. Experten gehen bei den Sterbefällen von einer hohen Dunkelziffer aus.

Einen Hinweis auf das tatsächliche Ausmaß der Pandemie gibt auch die sogenannte Übersterblichkeit. Damit ist die Differenz zwischen der Zahl der Todesfälle in diesem Jahr und dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre gemeint. Der Landesteil England habe mit 7,55 Prozent die höchste Übersterblichkeit in Europa in den ersten fünf Monaten 2020 gehabt, wie die britische Statistikbehörde ONS am Donnerstag mitteilte. Zum Vergleich: Spanien kam auf 6,65 Prozent.

(ahar/dpa)
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