Kommentar zum IG-Metall-Vorstoß Die Vier-Tage-Woche löst keine Strukturkrise

Meinung · Die IG Metall schlägt eine Vier-Tage-Woche vor. Doch was bei Volkswagen in den 90er Jahren gut war, ist kein Patentrezept für die aktuelle Krise. Vollen Lohnausgleich können sich die Betriebe gar nicht leisten.

 Volkswagen stehen in Emden auf Halde.

Volkswagen stehen in Emden auf Halde.

Foto: dpa/Tobias Bruns

Die Pandemie hat die Wirtschaft fest im Griff, auch wenn die Mitarbeiter aus dem Homeoffice zurückkehren und die Fließbänder wieder laufen. Es spricht für die IG Metall, dass sie sich früh Gedanken macht, wie Betriebe die Lasten tragen können. Die Frage, wer die Folgen der Krise bezahlt, wird noch in vielen Branchen zu Kämpfen führen.

Mit seinem Vorschlag, die Vier-Tage-Woche einzuführen, greift Gewerkschafts-Chef Jörg Hofmann auf einen Klassiker zurück. Als 1993 bei Volkswagen der Abbau von Zehntausenden Jobs drohte, schrieben der damalige Personalvorstand Peter Hartz und die IG Metall Tarifgeschichte, als sie die Vier-Tage-Woche erfanden. Die Arbeitsplätze wurden gerettet, die Arbeitnehmer mussten nur auf einen Teil des Lohns verzichten. Doch was bei Volkswagen in einer speziellen Unternehmenskrise funktionierte, wird in der Corona-Rezession nicht das Patentrezept sein.

Viele Betriebe sind am Anschlag. Ein zweiter Lockdown würde ihnen ebenso den Garaus machen wie dauerhafte neue Lasten aus der Tarifpolitik. Denn die IG Metall wird nicht bereit sein, auf den Lohnausgleich zu verzichten. Sie wird einer Vier-Tage-Woche nur zustimmen, wenn die Löhne nicht oder nicht in gleichem Maße sinken wie die Arbeitszeit. Dann aber ist für die Unternehmen wenig gewonnen, und sie fahren mit einer Verlängerung der Kurzarbeit oder neuen Härtefallregeln im Tarifvertrag besser.

Erst recht ist die Vier-Tage-Woche keine Lösung für die Strukturkrise, die das größere Problem von Autobauern und -Zulieferern ist. Die Vier-Tage-Woche ändert auch nichts daran, dass man für die Herstellung eines Elektroautos viel weniger Beschäftigte braucht als für die eines Verbrenners. Hier gilt der schmerzhafte Grundsatz: Gegen Strukturbrüche können Betriebe nicht ansparen. Sie müssen sie mitmachen – oder sie gehen unter.

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