Lauterbach warnt vor neuer Welle im Sommer Hohe Corona-Fallzahlen halten noch länger an

Analyse | Berlin/Düsseldorf · Die Inzidenz der Neuinfektionen klettert auf einen Höchststand. Das könnte in den Sommermonaten zu Problemen führen. Allerdings droht keine dauerhafte Überlastung des Gesundheitssystems, weil auch die neue Omikron-Variante milde Verläufe zeigt.

 Eine Mitarbeiterin, wertet an einer Sterilbank im Medizinischen Labor Ostsachsen eine Kassette mit Corona-Abstrichen zum Virusnachweis unter Verwendung der PCR-Methode aus.

Eine Mitarbeiterin, wertet an einer Sterilbank im Medizinischen Labor Ostsachsen eine Kassette mit Corona-Abstrichen zum Virusnachweis unter Verwendung der PCR-Methode aus.

Foto: dpa/Sebastian Kahnert

Corona – war da was? Im allgemeinen Entsetzen über den Angriffskrieg gegen die Ukraine ist das Infektionsgeschehen der Pandemie völlig in den Hintergrund gerückt. Dabei ist längst die sechste Welle unterwegs. „Die Omikron-Variante BA.2 zusammen mit gelockerten Maßnahmen und lokalen Sondereffekten wie Karneval führten zu einem unerwartet schnellen Eintreten einer neuen Welle“, sagt der Mathematiker Jan Fuhrmann, der an der Universität Heidelberg den Corona-Verlauf regelmäßig berechnet und simuliert.

Die Folge: Die Zahl der Krankenhauseinweisungen und auch der Toten steigt wieder. Nach Berechnungen des Covid-Simulators der Universität des Saarlandes, den ein Team um den Pharmazieprofessor Thorsten Lehr erstellt hat, könnte die Inzidenz, also die Zahl der wöchentlichen Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner, bis Ende April auf bis zu 2700 maximal steigen. Voraussetzung: Es bleibt bei den Lockerungen ab 20. März. Selbst mehr Vorsicht der Menschen hätte nach dieser Simulation noch einen Zuwachs auf 1730 zur Folge. Wichtig: Das sind keine Prognosen, sondern Berechnungen, die von einem bestimmten Mobilitätsverhalten der Bevölkerung ausgehen.

Das Robert-Koch-Institut (RKI) hatte am Donnerstag mit 262.752 Neuinfektionen einen neuen Rekord gemeldet. Auch die bundesweite Inzidenz war mit 1389 noch nie so hoch. Am Freitag waren die Fallzahlen mit 252.836 wieder sehr deutlich. Die bundesweite Inzidenz stieg sogar nochmals auf den Rekordwert von 1439. Dies könnte nach Meinung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) noch eine ganze Weile anhalten. Selbst im Sommer erwartet der gelernte Epidemiologe eine weitere Ansteckungswelle, weil auch die warme Witterung die hohe Infektionsrate nicht nachhaltig nach unten bringen dürfte. Dafür erhält er Unterstützung durch Wissenschaftler wie den Bioinformatiker Lars Kaderali von der Universität Greifswald.

So tückisch die Pandemie weiterhin verläuft, die Zahl der Toten und Intensivpatienten wird nicht mit dem gleichen Prozentsatz steigen wie in der dritten Welle mit der Delta-Variante. „Das liegt nicht zuletzt daran, dass die neue Omikron Variante BA.2 offenbar auch zu milderen Verläufen führt als wir das noch von Delta kennen“, schränkt der Heidelberger Corona-Spezialist Fuhrmann ein. Der Wissenschaftler nennt auch die Gründe. Es gebe mittlerweile nicht mehr viele Risikopersonen, die nicht vollständig geimpft, geboostert oder kürzlich genesen seien. Bei vielen kämen sogar schon Impfung und Genesung zusammen. Fuhrmann: „Diese Personen können sich dann zwar noch infizieren und auch Symptome entwickeln, werden aber nur in den seltensten Fällen so krank, dass sie stationär behandelt werden müssen oder sogar in eine lebensbedrohliche Lage kommen.“ Inzwischen ist der Anteil aller positiv Getesteten, die in der Klinik oder gar auf der Intensivstation landen, so niedrig wie nie zuvor. Und das bei einer vermutlich sehr hohen Dunkelziffer Infizierter in Deutschland.

 Das Ende der Corona-Kurve – hier der Verlauf der Delta-Variante auf dem Monitor eines hessischen Testlabors – ist noch nicht erreicht.

Das Ende der Corona-Kurve – hier der Verlauf der Delta-Variante auf dem Monitor eines hessischen Testlabors – ist noch nicht erreicht.

Foto: dpa/Boris Roessler

Trotzdem bleibt die Lage angespannt. Denn die vielen Infizierten, die mit anderen Krankheiten in die Kliniken eingewiesen werden, müssen isoliert werden. Das könnte zu ernsten Platzproblemen – auch in den kommenden Monaten – führen.

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