Zwei Jahre nach dem ersten Lockdown Das sind die Trends der Corona-Zeit

Hannover/Hamburg · Erinnern Sie sich noch? Corona-Pandemie, Lockdown - vor zwei Jahren steht plötzlich der Alltag still. Möglichst das Haus nicht verlassen, meinen damals die einen. Um jeden Preis raus an die Luft, sagen andere. Eindrücke aus zwei Jahren, die neue Trends prägen - und Seltsamkeiten.

 Ausflügler spazieren zwischen herbstlich verfärbten Bäumen durch den Westpark in München.

 Ausflügler spazieren zwischen herbstlich verfärbten Bäumen durch den Westpark in München.

Foto: dpa/Sven Hoppe

Es gab in der Corona-Pandemie besonders symbolträchtige Bilder, die zeigten, wie sehr das Leben auf den Kopf gestellt wurde: so gut wie leere Autobahnen beispielsweise. Die tägliche Blechlawine? Geschichte. Der vertraute und verhasste Stau? Aus und vorbei. Denn die Menschen saßen beim ersten Corona-Lockdown vor zwei Jahren mehr oder weniger in den eigenen vier Wänden fest. Das Homeoffice war geboren, der Spaziergang blieb als letztes Hobby, verreist wurde innerhalb Deutschlands, statt ins Ausland zu fliegen - und Einkaufen wurde ein gesellschaftliches Ereignis. Aber was bleibt von den neuen, aus der Not geborenen Trends?

Corona-Style: Groß in Mode im Corona-Alltag und das wohl angesagteste Kleidungsstück der Pandemie: die Jogginghose. Videokonferenzen und Homeoffice machten den Siegeszug der beuteligen Hose möglich, denn auf dem Bildschirm ist der Mensch allenfalls zur Hälfte zu sehen, was zu Nachlässigkeit untenrum einlädt. Allein in Niedersachsen stieg die Importmenge von Jogginganzügen im Corona-Jahr 2020 um 21,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf über 1,5 Millionen - ein Fünf-Jahres-Hoch. „Das Homeoffice lässt grüßen“, orakelte das Landesamt für Statistik. Nach Einschätzung von Carl Tillessen vom Deutschen Mode-Institut bleibt die Jogginghose angesagt: „Wir haben ein Jahr lang die pflegeleichteste und bequemste Kleidung, die es auf dem Markt gibt, getragen, und das werden wir auch nicht wieder aufgeben.“

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Foto: dpa/Jens Büttner

Auf Schusters Rappen: Im Lockdown blieben viele zu Hause. Gegen den Lagerkoller half der gute alte Spaziergang. Zumal es eine Weile kaum noch möglich war, Freunde oder Familie anderswo zu treffen als draußen. Der Spaziergang sei zu einem „Medium des sozialen Miteinanders“ geworden, sagte Prof. Jens Kleinert von der Abteilung Gesundheit und Sozialpsychologie der Deutschen Sporthochschule Köln. „Der Park ist der neue Biergarten.“ Wandern boomt aber in weitaus größerem Stil: In der Pandemie verzichteten viele Menschen darauf, ins Ausland zu fliegen - Urlaub in Deutschland war angesagt, und mit ihm das Wandern und neue Wanderrouten.

„Non Bathing“: Beim ersten Hören klingt es wenig vertrauenserweckend - „Non Bathing“ oder „Nicht-Baden“ heißt der Trend: weniger duschen, um die eigene Haut zu schützen und Wasser zu sparen. Hollywoodstars bekennen sich dazu, aber auch die Pandemie spielte eine Rolle: In den vergangenen zwei Jahren mit ihren Lockdowns haben viele Menschen weniger geduscht. Der Grund: Es gab einfach keinen Anlass zum Stylen, im Homeoffice ging man lockerer damit um. Denn: Man musste nicht mehr jeden Morgen ausgeschlafen, frisch rasiert und gestylt im Büro sein. Dafür wächst allerdings das Interesse an Gesichtskorrekturen - ästhetisch-plastische Chirurgen mutmaßen, dass dies an Maskenpflicht und Videokonferenzen liegt. Botox-Spritzen gegen Falten nehmen zu, auch die Nachfrage nach einer Oberlidstraffung am Auge steigt.

Einkaufen statt Ausgehen: Was heißt es, wenn Ausgangsbeschränkungen, Reiseverbote und geschlossene Restaurants der Alltag bestimmen? Dann blieb mitunter nur der Supermarkt - und Einkaufen wurde gefühlt das neue Ausgehen. Und was man dort anzieht, muss man sich schon fragen, wie einst im Restaurant oder Theater. Denn allein das Einkaufengehen war im Lockdown für viele schon ein Ereignis. Erst recht dann, wenn Security-Männer vor der Drogerie standen und aufpassten wie ein Luchs - und einem schließlich doch das ersehnte Zeichen gaben, nun rein zu dürfen. Einmal im Laden stellte man dann schnell fest, dass Klopapier und Desinfektionsmittel lebensentscheidend sein müssen. Denn die Regale waren zwischenzeitlich weitgehend leer.

Der Quarantäne-Bart: Corona-Krise, das bedeutete neben dem Zuhausesitzen im Lockdown auch: Experimente, und bei manchen Männern betrafen diese den eigenen Bart. Sie verzichteten auf das Rasieren und trugen Quarantäne-Bart. So zeigte sich Hollywoodstar Jim Carrey unrasiert - und führte bei Instagram ein Bart-Tagebuch. Auszug: „Tag 5 meines wilden und ungezähmten Gesichts. Bitte halten Sie Ihre Hände nicht an den Käfig.“ Stilexperten mahnten, ein Bart sollte gepflegt sein - und bedürfe regelmäßiger Pflege. Aber Obacht: Wenn Bartträger Masken aufsetzen, müssen sie aufpassen, dass sie eng genug anliegen. Das Robert-Koch-Institut schrieb dazu: „Bartwuchs beeinflusst die Abdichtung der Maske.“

Backen gegen den Corona-Kater: Im ersten Lockdown wurde nicht nur Klopapier in den Supermärkten knapp - auch Mehl, Backpulver und Hefe. Aber offensichtlich nicht umsonst, viele Menschen entdeckten das Backen für sich, Teig wurde geknetet, sogar Sauerteig angesetzt. Von einem „heftigen Interesse“ am Brotbacken berichtete der Buchautor und Blogger Lutz Geißler. „Mit dem Infektionsanstieg und dem ersten Lockdown gingen auch die Nutzerzahlen meines Blogs hoch. Die Zahlen haben sich etwa verdreifacht - auf etwa 350 000 Besucher im Monat“, sagte er. Der studierte Geologe aus Sachsen zeigte etwa, wie man mit nur einem halben Gramm Hefe Brote backen kann - vor allem in der ersten Pandemiewelle, als Hefe ein knappes Gut war, konnte das schon hilfreich sein.

Stand-up-Paddling: Im Corona-Jahr wurde es zum Massenphänomen: Stand-up-Paddler kreuzten über Kanäle, Seen und Flüsse - stehend auf ihren Surfboards und mit Hilfe eines langen Paddels. In den 1960er Jahren sollen vor allem Surf-Lehrer auf Hawaii ihre Longboards im Stehen genutzt haben, um ihre Surfschüler besser zu überblicken. Bekannte Surfer entdeckten dann in den vergangenen 20 Jahren ihre Boards für Work-outs und machten das Stand-up-Paddeln populärer.

Kein Hobby nur für die Oma - Stricken: Stricken ist schon seit Jahren wieder im Kommen - wer hätte das gedacht? Das Stricken eroberte die sozialen Netzwerke, hippe Anbieter wie We Are Knitters oder Wool And The Gang verschickten fertige Pakete mit Wolle, Nadeln und Anleitung. Altmodisch war gestern, verstaubt erst recht, wie die Textildesignerin Anne-Susanne Gueler aus Hannover meinte. Aber auch hier wirkte sich die Pandemie aus: Für die Anbieter war 2020 ein Ausnahmejahr, die Umsätze gingen extrem nach oben. Denn: Die Menschen waren mehr daheim, investierten in ihr Zuhause und gingen Hobbys nach, für die sie lange wenig Zeit hatten.

Und was bleibt jetzt von den Trends? Trendforscher Peter Wippermann geht davon aus, dass sich vor allem die Einstellung zum eigenen Haus oder der Wohnung verändert - Arbeit zu Hause, Fitness zu Hause. Das Zuhause sei eine „Bastion, die Sicherheit bietet“, sagte er. „Das ist unglaublich wichtig geworden.“ Erst recht in einer Welt, die immer unberechenbarer wird. Jedoch seien die meisten Wohnungen zu klein, um darin zu wohnen, zu arbeiten und Kinder großzuziehen. Einen „ersten Kick“ habe die Nachhaltigkeit bekommen, dank Do-it-yourself-Trends und Second-Hand-Mode, die von Versandhändlern verkauft werde. Fürs Reisen würden neue Wanderwege und E-Bike-Routen immer wichtiger, auch Camping entwickele sich „ganz stark“: selbstbestimmt im geschützten Raum. Und: Jede Art der Beschäftigung mit dem eigenen Körper sei „wichtiger geworden und bleibt wichtig“ - Stichwort Fitness.

(zim/dpa)
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