Hassmail erhalten Virologe Drosten denkt nach Anfeindungen über Rückzug aus Medien nach

Köln · Der Virologe Christian Drosten ist seit Beginn des Ausbruchs der Corona-Pandemie viel gefragt. Er gilt als einer der weltweit führenden Experten um das Virus. Nun denkt er an einen Rückzug aus den Medien, Grund dafür sei unter anderem eine Hassmail.

Christian Drosten, Leiter des Instituts für Virologie an der Berliner Charité.

Christian Drosten, Leiter des Instituts für Virologie an der Berliner Charité.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Ihn könnte man derzeit als echten Rockstar bezeichnen. Fast keine Talkshow oder anderweitige Sendung kommt ohne den Rat von Christian Drosten aus, dem Chefvirologen an der Berliner Charité. Seit Wochen steht er durch seine Analysen zur Corona-Krise in der Öffentlichkeit. Nun denkt er jedoch an einen Rückzug aus den Medien nach. Das sagte er am Montag in seinem NDR-Podcast, in dem der tagtäglich über die Auswirkungen des Coronavirus spricht. Ihm und anderen Wissenschaftlern würden Dinge angehangen, die nicht stimmen, sagte Drosten. In der Audioaufzeichnung sprach Drosten so über eine Mail, die er vergangenen Sonntag erhalten habe und in der er „persönlich verantwortlich gemacht wurde für den Selbstmord des hessischen Finanzministers Thomas Schäfers.“ Dies sei für ihn ein Signal, dass eine „Grenze der Vernunft“ schon lange überschritten wurde.

Drosten sei zudem „wirklich wütend“ über das Bild, das einige Medien von ihm zeichnen würden. Sowohl mit Worten als auch mit Karikaturen. „Ich sehe mich selbst als Comicfigur, und mir wird schlecht“, sagte Drosten. „Das muss aufhören.“ Bereits in der vorherigen Woche habe er es daher vermieden, Interviews zu geben oder sich im Fernsehen zu zeigen.

Am Montag äußerte sich Drosten in der 24. Ausgabe des Podcasts über die Situation in den Pflegeheimen. "Wir sehen jetzt in diesen Tagen die Eintragungen zum Beispiel in Seniorenpflegeheime und haben hier dann den Beginn einer neuen Entwicklung", sagte Drosten. Zu rechnen sei auch mit steigenden Sterblichkeitsraten.

Bisher habe Deutschland bei den Infektionsketten Glück gehabt: Infiziert hätten sich zunächst vor allem jüngere, sportliche Leute wie Skifahrer und Karnevalsflüchter, die das Virus aus dem Urlaub eingeschleppt und es in ihren ungefähr gleichaltrigen Netzwerken verbreitet hätten. Diese Menschen erlebten zum größten Teil milde Krankheitsverläufe. Jetzt seien vermehrt ältere Menschen in Alten- und Pflegeheimen betroffen.

Ein Ansteigen der Fallsterblichkeit lasse sich bereits beobachten, sagte Drosten. Sie liege nicht mehr bei 0,2 bis 0,4, sondern im Bereich 0,8 Prozent. Hinzu komme, dass man bei der Diagnostik nicht mehr einer exponentiellen Entwicklung hinterherkommen könne: "Ich glaube nicht, dass wir unsere jetzige Testkapazität realistischerweise noch deutlich steigern können", sagte Drosten. Es sei deshalb zunehmend wichtiger, die richtigen Gruppen zu testen.

(ala mit epd)
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