Gelockerte Betreuungsregeln Sorge vor Corona-Ansteckung in Kitas und Schulen

Düsseldorf · NRW hat die Regeln für die Notbetreuung gelockert. Kinderärzte und Betreuer warnen nun vor neuen Infektionsketten. Gesundheitsminister Laumann verweist auf die Bedeutung der Betreuung für das medizinische Personal.

Ein Schild informiert über Notbetreuung an einer Schultür (Archiv).

Ein Schild informiert über Notbetreuung an einer Schultür (Archiv).

Foto: dpa/Michael Reichel

Die Lockerung der Regeln in NRW für die Notbetreuung von Kindern in Schulen und Kitas trifft bei Pädagogen und Ärzten auf Unverständnis. „Wenn wir die Kinder wieder vermehrt in Kitas und Schulen betreuen lassen, riskieren wir neue Infektionsketten“, sagte Christiane Thiele, Landesvorsitzende des Berufsverbandes Kinder und Jugendärzte, unserer Redaktion. Einerseits würden die Regeln für die Allgemeinheit gerade durch ein Kontaktverbot deutlich verschärft. Auf der anderen Seite aber kämen durch die am Freitag erlassenen neuen Regeln zur Kinderbetreuung jetzt wieder mehr Kinder in Gruppen zusammen. „Wenn wir das so aufweichen, bekommen wir ein großes Problem“, gab Thiele, Kinderärztin in Viersen, zu bedenken.

Die Landesregierung hatte am Freitag angeordnet, dass künftig nur noch ein Elternteil in einer kritischen Infrastruktur wie etwa einem medizinischen, pflegerischen oder anderen systemrelevanten Beruf tätig sein müsse, um die eigenen Kinder in einer Notbetreuung unterzubringen. Zuvor galt dies für beide Eltern – der Betreuungsbedarf lag dabei landesweit nur bei drei bis vier Prozent der Kinder.

Karl-Josef Laumann (CDU), NRW-Gesundheitsminister, verteidigte die Lockerung der Regeln: „Zu viele Krankenschwestern sind in der vergangenen Woche zu Hause geblieben, um ihre Kinder zu betreuen.“ Weil die Frauen meist deutlich weniger verdienten als ihre Männer, hätten sie sich überwiegend zur Betreuung der Kinder bereit erklärt, fehlten nun aber. „Ich bin froh, dass die Eltern in systemrelevanten Bereichen jetzt eine erweiterte Möglichkeit zur Betreuung bekommen.“

Tatsächlich ist der Bedarf am ersten Tag der neuen Regelung offenbar gestiegen, vor allem in Kitas. Nach ersten Stichproben am Montag habe sich die Nachfrage mancherorts erhöht: „Es scheint deutlich mehr Bedarf zu geben“, sagte Maike Finnern, Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Genauere Zahlen der Landesregierung soll es Mitte dieser Woche geben.

Die Leiterin einer großen Kindertageseinrichtung, die aus Angst um ihren Arbeitsplatz anonym bleiben will, äußerte große Besorgnis: „Jedes Kind und jeder Mitarbeiter im Gebäude ist eine potenzielle Virenschleuder.“ Eine unwissentlich infizierte Erzieherin, die ein Kind auf den Schoß nehme, gebe das Virus ausgerechnet an ein Kind weiter, dessen Eltern in systemrelevanten Berufen arbeiten. Umgekehrt könnten auch symptomfreie, aber infizierte Kinder andere in ihrer Gruppe anstecken – ebenso wie die Erzieherin.

„Ich teile diese Kritik“, sagte GEW-Landeschefin Finnern. Aus ihrer Sicht muss mehr getestet werden, um Infektionen frühzeitig zu erkennen. Auch müssten Risikogruppen wie die über Sechzigjährigen oder vorerkrankte Pädagogen sowie Schwangere bei der Notbetreuung außen vor bleiben, wie es in den Schulen laut Ministerium der Fall sein soll.  Zudem müsse in den Kindertagesstätten für bessere Hygiene, Handschuhe und Mundschutz gesorgt werden. „Es gibt eine Verantwortung, das System am Laufen zu halten. Aber es gibt auch eine Verantwortung den Beschäftigten gegenüber“, sagte Finnern.

Gesundheitsminister Laumann dämpfte die Erwartungen: „Erzieher in Kitas erhalten Schutzkleidung, wenn wir etwas haben.“ Eine Lösung könne darin bestehen, in Kitas Schutzkleidung zu verwenden, die zwar nicht den Standards in Krankenhäusern entspreche, aber in Kitas durchaus ihren Zweck erfüllen könnte.

Das NRW-Schulministerium wies darauf hin, dass es intensive Abstimmungen mit den Gesundheitsämtern gebe, um Lehrer beim Infektionsschutz zu unterstützen. Das Ministerium werde auf die Kommunen einwirken, damit die notwendige Hygiene in den jetzt noch benötigten Räumen eingehalten werde. In die Notbetreuung dürften zudem nur Kinder, bei denen kein Verdacht auf eine Corona-Infektion bestehe und für die keine anderweitige Betreuung organisiert werden könne.

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