Entwicklung im Eiltempo Das Hoffen auf einen Corona-Impfstoff

Düsseldorf · Zahlreiche Unternehmen suchen derzeit nach einer Vorbeugung gegen die Corona-Krankheit. Immer wieder hört man von Meilensteinen in der Forschung. Doch letztlich sind viele davon wenig aussagekräftig. Eine Analyse.

Einem Patienten wird ein Mittel injiziert, das einmal der Impfstoff gegen Covid-19 werden könnte.

Einem Patienten wird ein Mittel injiziert, das einmal der Impfstoff gegen Covid-19 werden könnte.

Foto: AP/Ted S. Warren

Wie viele Firmen derzeit in ihren Laboren nach einem Impfstoff gegen das neue Coronavirus suchen, weiß nicht einmal die Weltgesundheitsorganisation so genau. Eine vollständige Liste gibt es nicht. Zuletzt war von mindestens 35 die Rede. Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) zählt mittlerweile mindestens 40. „Es ist erstaunlich, welche Organisationen und Unternehmen sich alle noch nach und nach melden“, sagt Rolf Hömke, Forschungs-Sprecher des vfa.

Die Pharmabranche befindet sich in einem Wettstreit, den es so noch nicht gegeben hat. Wem gelingt es als Erstes, einen Impfstoff gegen Sars-CoV-2 bis zur Marktreife zu bringen? Von staatlicher Seite ist zu hören, dass ein Impfstoff nicht vor 2021 verfügbar sein kann. Doch die Meldungen überschlagen sich: Es wird ein Meilenstein aus Israel gemeldet, dann einer aus China, schließlich auch einer aus den USA – am Montagabend seien Tests an Freiwilligen mit einem von Wissenschaftlern des US-Instituts für Allergien und Infektionskrankheiten (NIAID) und dem US-Biotech-Unternehmen Moderna entwickelten Impfstoff gestartet. Kurz zuvor war bekannt geworden, dass die USA versucht haben, deutsche Wissenschaftler aus Tübingen, die ebenfalls an einem Impfstoff forschen, mit viel Geld in die Vereinigten Staaten zu locken. US-Präsident Donald Trump will einen Impfstoff exklusiv für sein Land. America first.

Die Tübinger Firma CureVac, um die es geht, plant den Beginn von Studien mit Freiwilligen im Frühsommer. Das alles klingt vielversprechend. Ist es grundsätzlich auch, allerdings sagt das noch nicht allzu viel darüber aus, wann der Impfstoff tatsächlich für die Weltbevölkerung zur Verfügung steht. Insbesondere bei den mutmaßlichen Erfolgsmeldungen aus dem Ausland sind Experten vorsichtig. „Daraus lässt sich nicht in jedem Fall erkennen, wie weit das jeweilige Unternehmen oder die Forschungseinrichtung tatsächlich ist“, sagt Rolf Hömke: „Hat man nur die Designphase beendet oder auch schon die Tierversuchsphase? Man weiß es nicht immer.“

Die Entwicklung eines Impfstoffes erfolgt stets nach demselben Muster. Am Beginn steht zunächst eine Analyse des Virus, um das es geht. In diesem Fall Sars-CoV-2. Die Wissenschaftler sequenzieren das Virus. Das heißt, dass sie es in seine einzelnen Bausteine zerlegen, um zu verstehen, wie es sich zusammensetzt und wie es funktioniert. Ist dieser Schritt beendet, geht es in die Designphase des Impfstoffes.

Die zentrale Frage lautet: Was soll alles rein? Denn ein Impfstoff besteht aus mehreren Substanzen. Er beinhaltet sowohl Teile des Virus als auch chemische Zusatzstoffe. Jeder Impfstoff ist ein Antagonist des jeweiligen Virus und deshalb wie das Virus selbst einzigartig. Es gibt verschiedene Varianten, wie ein Impfstoff aufgebaut sein kann. Manche sind sogenannte Totimpfstoffe, die Virusproteine enthalten. Zu ihnen gehören beispielsweise jene gegen Diphtherie, Hepatitis B, Kinderlähmung, Keuchhusten und Tetanus. Andere sind Lebendimpfstoffe, die harmlose Viren enthalten, die mit biotechnischen Mitteln etwa als Sars-CoV-2-Virus „verkleidet“ werden. Bei einer dritten Variante werden nur Gene des Virus verwendet – in Form von künstlich hergestellter DNA oder RNA –, wodurch der Körper Virusprotein in einer nicht krankmachenden Form selbst herstellt und unser Organismus Antikörper bildet. Diesen Weg geht zum Beispiel CureVac.

Diese dritte Variante hat den Vorteil, dass nur sehr kleine Mengen DNA oder RNA pro Impfdosis benötigt werden, weshalb man schnell viele Impfstoffportionen herstellen könnte. Allerdings gibt es bisher gegen keine Krankheit einen Impfstoff dieser Art; das ist also Neuland. Und: Nicht jedes Unternehmen verfolgt den gleichen Weg, weshalb es schwierig ist, die Erfolgsmeldungen richtig zu deuten. „Es ist nicht automatisch so, dass das Unternehmen, welches die Designphase als Erstes fertigstellt, am Ende auch das erste mit einer Zulassung ist“, sagt Hömke. Entscheidend ist das Ergebnis der klinischen Studien. Die Wirksamkeit und die Verträglichkeit des Impfstoffes müssen zunächst im Tierversuch getestet werden. Erst danach erfolgt eine Erprobung am Menschen. Zum Schluss steht das Zulassungsverfahren durch die jeweilige Behörde.

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Foto: dpa-tmn/Zacharie Scheurer

Für gewöhnlich dauert die Entwicklung eines Impfstoffes mehrere Jahre. Im Fall von Sars-CoV-2 gibt es einige Beschleuniger. So haben die Zulassungsbehörden signalisiert, dass sie die Genehmigungsprozesse ankurbeln wollen. Konkret bedeutet das: Man plant auf Vorrat. Obwohl Studie eins noch nicht abgeschlossen ist, entwickelt das Unternehmen schon Studie zwei – in der Annahme, dass Studie eins gelingt. Zulassungsanträge dürfen in einzelnen Kapiteln eingereicht werden, die dann schon bearbeitet werden, während die restlichen Kapitel noch geschrieben werden. Man nennt das „rolling application“. Einige Firmen waren zudem schon zuvor dabei, Impfstoffe gegen die nahen Verwandten von Covid-19, Sars oder Mers, zu entwickeln. Diese können nun angepasst werden.

Und noch etwas beschleunigt den Prozess: die Solidarität der Unternehmen. Der britische Pharmariese GlaxoSmithKline stellt beispielsweise Wirkverstärker her. Firmen und Forschungsinstitute, die diese Wirkverstärker für ihre Coronavirus-Impfstoffe brauchen, können bei GlaxoSmithKline derzeit einfach anfragen und bekommen sie. „Die Bereitschaft zu kooperieren, ist bei den Unternehmen sehr hoch“, sagt Forschungsexperte Hömke. Letztlich sei es auch nicht wichtig, wer als Erster die Zulassung erhält. „Viel bedeutender ist, dass möglichst viele Unternehmen die Zulassung erreichen und dann für den globalen Bedarf produzieren können.“ Denn einer allein könnte der hohen Nachfrage nicht gerecht werden.

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