Corona bedroht Duisburger „Kartoffelkiste“ „Das Restaurant ist alles, was meine Familie hat“

Duisburg · Im ältesten Gasthaus Duisburgs werden seit 250 Jahren Kartoffeln aufgetischt. Tom Jones war da und Reinhard Mey. Nun könnte das Coronavirus die Kartoffel-Kiste in den Ruin treiben. Doch die Familie hat einen Plan.

 In der Kartoffel-Kiste testet Inhaber Andreas Bode (links) nun den Außer-Haus-Verkauf.

In der Kartoffel-Kiste testet Inhaber Andreas Bode (links) nun den Außer-Haus-Verkauf.

Foto: Christoph Reichwein (crei)

Am Sonntag war noch alles gut. Zumindest sagt Andreas Bode das so, aber auch er ahnte da, dass die Zeiten nun sehr hart werden könnten. An jenem Abend feierte ein Mann seinen 70. Geburtstag in der Kartoffel-Kiste, eingeladen waren vor allem ältere Menschen. Die viel zitierte Risikogruppe, Personen, die besonders gefährdet sind, sich mit dem Coronavirus zu infizieren und an der Krankheit Covid-19 zu sterben. Man kann das für Wahnsinn halten. Aber niemand hatte den Leute schließlich verboten, ins Restaurant zu gehen. Und doch scheuten die Menschen schon vor Wochen Duisburgs ältestes Gasthaus.

Absagen folgten auf Absagen. Geburtstage und Betriebsfeiern fanden nicht mehr statt. Auf der Toilette, so hörte es der Kellner manchmal, lief der Wasserhahn immer länger bis er irgendwann gar nicht mehr lief. Erst waren die Tische leer und dann die Kasse. „Und wenn doch jemand kam, lief es wie folgt: schnell essen, schnell zahlen, schnell weg“, sagt Restaurantbetreiber Bode.

Im Gebäude der Kartoffel-Kiste an der Schweizer Straße wird seit 1770 Essen serviert. Ein Hufschmied hat es damals gebaut, aus Bäumen, die er im Duisserner Wald selbst geschlagen hatte. Oft wechselte die Gaststätte den Besitzer, aber trotz zweier Weltkriege und vieler wirtschaftlicher Krisen wurde hier immer gekocht, gebraten und gegessen. Sänger Tom Jones war hier, Liedermacher Reinhard Mey und Boxlegende Rocky Rocchigiani, aber nun könnte es mit dem Traditionslokal zu Ende gehen.

Die Stadt Duisburg hat am Dienstagabend verfügt, dass vorerst alle Restaurants abgesehen von Lieferdiensten geschlossen bleiben. Ausnahmen gibt es nicht, auch nicht für Bode und seinen Bruder. Es gehe darum, die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen. Und wo tut es das schneller, als in einem urigen Gasthaus, in dem Dutzende Gäste nebeneinander sitzen und Schweinenackensteak mit Röstkartoffeln essen? Bode versteht, warum so harte Maßnahmen nötig sind, um die Pandemie zu stoppen. Dass jetzt alle etwas tun müssen. Aber die Maßnahmen bedrohen auch alles, was er sich in den vergangenen Jahren aufgebaut hat. „Dieses Haus ist unser Leben, es ist die Rente meiner Eltern und jetzt wissen wir nicht, ob es noch eine Zukunft gibt“, sagt Bode.

Er und sein Bruder Achim haben die Kartoffel-Kiste vor 19 Jahren von den Eltern übernommen. Die führten das Gasthaus seit 1983. Es gehört heute zu den beliebtesten Gastronomiebetrieben in Duisburg, das Fachwerkhaus steht mittlerweile unter Denkmalschutz, nur gegen das Virus hilft der nichts. Es ist ein Ort, an dem die Köche sich stets schworen, so erzählt es Bode, die Kartoffel gehöre nicht in den Keller sondern auf den Teller. Nun sind die 120 Plätze leer und Kartoffeln landen nicht mehr auf dem Teller sondern höchstens in einer Plastikbox.

Um zu überleben, haben die Brüder Bode beschlossen, nur noch eine Außer-Haus-Karte anzubieten. Kunden können vorbeikommen und das Essen am Fenster direkt mit nach Hause nehmen. Noch läuft das Angebot schleppend, erzählt Bode. Am Dienstagmittag gab nur eine einzige Bestellung, aber wenigstens am Mittwoch wollen Kunden kommen.

Andreas Bode hat mittlerweile Kurzarbeitergeld für seine fünf Mitarbeiter beantragt und verhandelt mit seiner Bank über Kredite. Es gibt 20 Prozent Rabatt auf alle Speisen. Vielleicht hilft das. Wie lange die Kartoffel-Kiste diese Krise durchhalten kann, wissen die Bodes nicht. „Vielleicht ein, zwei Monate“, sagt Andreas Bode. Und dann auch nur mit staatlicher Hilfe.

Aufgeben will hier aber niemand. In 250 Jahren gab es immer eine Lösung, für jedes Problem. „Wir wissen nicht wie es weitergeht“, sagt Andreas Bode. „Aber wir werden es versuchen. Die Kartoffel-Kiste ist alles, was meine Familie hat.“ 

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