Corona-Zahlen explodieren Ethik-Experte fordert 2G-Regel bei Reisen innerhalb der EU

Exklusiv | Düsseldorf · Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz ist abermals auf einen neuen Höchstwert gestiegen. Der Humangenetiker und Professor im Ethikrat, Wolfram Henn, hält daher die bisherigen und geplanten Maßnahmen für zu gering.

 Reisende gehen im Flughafen Düsseldorf mit Koffern durch die Abflughalle.

Reisende gehen im Flughafen Düsseldorf mit Koffern durch die Abflughalle.

Foto: dpa/Henning Kaiser

Die Zahl der Inzidenzen in Deutschland hat erstmalig den Wert von 300 überschritten. Die Parteien der künftigen Ampel-Koalition haben jetzt in ihrem neuesten Entwurf für eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes ein ganzes Bündel von Maßnahmen geplant, um die Verbreitung des Corona-Erregers wieder in den Griff zu bekommen. Nach Ansicht des Humangenetikers Wolfram Henn, der zugleich Mitglied des Deutschen Ethikrats ist, reichen die neuen Regeln aber kaum aus. „Wir müssen jetzt aus allen Rohren schießen, um das Schlimmste zu verhindern. Impfen, Testen, freiwillige Kontaktbeschränkungen“, fordert der Mediziner, der an der Universität des Saarlands in Homburg lehrt, im Gespräch mit unserer Redaktion. Henn setzt sich für bundeseinheitliche Maßnahmen ein. Dabei sollte die Beendigung der epidemischen Notlage hinterfragt werden.

Als neuen Vorschlag bringt der Humangenetiker die 2G-Regel bei Reisen ins EU-Ausland und eine bessere Kontrolle an den Grenzen und Flughäfen ein. „Die 2G-Regel sollte beim Überschreiten der EU-Binnengrenzen generell gelten. Das wäre epidemiologisch sinnvoll und ethisch gerechtfertigt“, meint der saarländische Professor. An Flughäfen, so Henn, könnte man die Einhaltung dieser Regel besonders gut überprüfen. „Hier sollten lückenlose Kontrollen sichergestellt sein“, fordert der Wissenschaftler. Derzeit gilt für die Einreise in die meisten EU-Staaten die 3G-Regel. Danach müssen vor allem Flugreisende ein Dokument ausfüllen und entweder einen negativen Corona-Test oder ihren Status als Geimpfte oder Genesene nachweisen. Dabei reicht manchen Ländern sogar ein Antigen-Schnelltest aus, obwohl der als vergleichsweise unsicher gilt.

Der Ansatz des französischen Staatspräsidenten Emanuel Macron für einen befristeten rechtlichen Impfschutz sei auch auf die deutschen Verhältnisse anwendbar. „Die Ministerpräsidentenkonferenz sollte den Vorschlag aufgreifen“, fordert Henn. „Acht Monate nach der Zweitimpfung sollte der Impfschutz rechtlich verfallen. Das wäre medizinisch begründet und ein großer Anreiz zur Drittimpfung.“

Der Experte geht auch auf den nachlassenden und unvollständigen Schutz der bisherigen Impfungen ein. Für Henn ist das nichts Neues. „Die Impfung bietet nur einen relativen Schutz. Aber die Infektionsgefahr durch infizierte Geimpfte ist wenigstens verringert, und unter den jüngeren Covid-Patienten auf unseren Intensivstationen sind fast ausschließlich Ungeimpfte“, stellt der Professor aus Homburg klar. Unter den Über-60-Jährigen, die sich in den vergangenen drei Wochen infiziert haben, verfügten rund 60 Prozent über einen vollständigen Impfschutz. Allerdings werden Geimpfte dieser Altersgruppe zwölf Mal weniger in eine Klinik eingeliefert als Ungeimpfte.

Um das Impftempo zu erhöhen, empfiehlt der Genetik-Professor aus Homburg zusätzlich eine bessere gesundheitliche Aufklärung. „Ein wirksames Mittel könnten aktuelle Videos aus Intensivstationen sein“, meint Henn. Es habe sich bei der Warnung vor dem Rauchen bewährt, mit Hinweisen auf den Zigarettenschachteln sichtbare Fakten zu schaffen. Henn kritisierte in diesem Zusammenhang die Arbeit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: „Leider hat diese Stelle bei der Kommunikation über das Impfen versagt.“

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