Infektionsschutz-Ratgeber für Familien Virenfrei durchs Weihnachtsfest

Düsseldorf · Wen laden wir ein? Wie sollen wir sitzen? Müssen alle auf den Balkon? Viele Menschen haben vor den Festtagen einige logistische Probleme – mit Disziplin sind sie aber lösbar.

 Zur Eindämmung des Coronavirus sind Disziplin und Fantasie vonnöten.

Zur Eindämmung des Coronavirus sind Disziplin und Fantasie vonnöten.

Foto: dpa/Swen Pförtner

Normalerweise beginnen diese Überlegungen erst, wenn Vorsätze fürs neue Jahr gefasst werden. Weniger Süßigkeiten! Rauchen aufhören! Mehr Sport! Doch die Corona-Pandemie zwingt uns, schon das Weihnachtsfest in unsere Zukunftsplanung zu integrieren. Das führt in diesen Tagen bei vielen Menschen zu grundsätzlichen Fragen logistischer Art: Wer darf kommen? Wohin fahren wir? Wollen wir allein bleiben? Wie schenken wir?

Bevor uns Fatalismus befällt, helfen Kriterien, an deren Beginn Kant und der kategorische Imperativ stehen könnten: „Handle nur nach der Maxime, von der du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Heute könnte das heißen: Handle so vorsichtig, als seiest du selbst infiziert und wollest, dass auch alle anderen Menschen diese Vorsicht walten lassen.

Nun haben wir in den vergangenen Monaten etliche Male lobend aus Politikermund vernehmen dürfen, dass viele Menschen vorbildlich gehandelt hätten, den Rest müsse man nun auch noch erreichen. Diese Aufteilung nach Aschenputtel-Art hat eine trügerische Gelassenheit bewirkt. Viel zu viele Menschen glauben, dass immer die anderen schuld seien, nie sie selbst. So entstehen Übertragungen. Viele Leute tragen immer noch Mund-Nasen-Bedeckungen mit riesigen Luftlöchern zu allen Seiten. Sie missachten die Abstandsregeln, und zwar aus Vergesslichkeit und Fehleinschätzung, wie groß 1,5 Meter sind. Und pünktlich zum Frühsommer haben viele das regelmäßige Händewaschen eingestellt, als das Virus besiegt schien. Jetzt merken wir, dass das Coronavirus diesen Mangel an Konsequenz für seine Zwecke nutzt, uns zu infizieren.

So unweihnachtlich es ist: Am Anfang muss eine Gefahrenanalyse stehen. Werde ich alle Regeln ab dem 16. Dezember beherzigen können? Und werde ich noch in Situationen kommen, in denen ich mich möglicherweise anstecken kann? Fahre ich mit einer vollen Bahn? Sofern dort nicht alle Passagiere ihre Masken vorbildlich oder gar ein FFP2-Exemplar tragen, steigt das Risiko, das ist unvermeidlich. Besuche ich einen Discounter, dessen Kassenpersonal hinter Pseudo-Glaswänden sitzt und die Waren ohne Mundschutz über den Scanner zieht?

Jeder dieser Nahkontakte kann virologisch einer zu viel sein, das gilt auch an der frischen Luft. Menschen, die dort ohne Maske ein Schwätzchen beginnen, können hochinfektiöse Tröpfchen ausstoßen. Und einander anstecken.

Und noch einmal: Keinem Menschen sieht man in den Hals. Bin ich zu einem adventlichen Kaffeekränzchen in die Nachbarschaft eingeladen, in der angeblich „niemand Corona hat“? Schon diese Vorbemerkung ist ein Hinweis darauf, dass die Gastgeber die Gefahren unterschätzen. Hier sollte man freundlich ablehnen.

Besteht nach dieser Selbstprüfung jedoch wenig Grund zur Sorge, ist viel gewonnen. Nun beginnt die Phase zwei: die vorbeugende Quarantäne. Wer sich mit dem 16. Dezember in Klausur begibt (oder bereits ein Eremiten-Leben führt) und hierfür auch seine Familie erwärmen kann, der erlebt einen vorbildlichen Advent: als stilles Warten, als Sinnsuche und Bewusstwerdung. Virologisch ist die Sache eindeutig: Eine Familie, die an Heiligabend acht achtsame Tage ohne kritische Situationen hinter sich hat und in der keiner Krankheitszeichen spürt, die hat alles richtig gemacht.

Kritisch sind aus infektiologischer Sicht vielmehr die sogenannten prä-symptomatischen Infizierten. Die haben sich Sonntag vor Weihnachten angesteckt, worauf sich die Viren von Dienstag/Mittwoch an heftig zu vermehren beginnen, ohne dass es schon zu Symptomen kommt; die setzen in der Regel erst weitere zwei, drei Tage später ein. Trotzdem können diese Infizierten bereits sehr früh sehr infektiös sein.

Natürlich besteht die Möglichkeit, sich testen zu lassen. Einen PCR-Test (der sehr zuverlässig ist) wird man kurz vor Weihnachten nur bekommen, wenn man selbst Symptome spürt und Kontakt zu einem nachweislich Infizierten hatte. Man kann diesen Test aber auch auf eigenes Betreiben erlangen, etwa am Düsseldorfer Flughafen. Aber man muss wissen, dass nicht jeder Test zu jedem Zeitpunkt sinnvoll ist. Ein zu früher Test bringt zwangsläufig ein falsch-negatives Ergebnis. Das bedeutet: Ein Mensch ist zwar infiziert, der Test zeigt das aber (noch) nicht an.

Der PCR-Test ist ziemlich scharf eingestellt, er entdeckt auch Viren, die (vorerst) in geringer Menge im Körper gelandet sind. Nicht ganz so sicher ist der sogenannte Antigen-Schnelltest. Der reagiert vor allem bei deutlich erhöhter Virenlast und ist deshalb zeitlich begrenzter. Sein Vorteil: Er ist recht preisgünstig und viel schneller als die PCR-Option; er benötigt keine Geräte und kein Labor. Eine Familie, die sich am 16. Dezember in Vor-Quarantäne begibt und beim Hausarzt sieben Tage später einen kollektiven Schnelltest absolviert, ist bei durchweg negativem Ergebnis auf der sicheren Seite. Auch bei diesem Testverfahren gilt: Zu frühe Tests sind unsinnig.

Von Schnelltests für die Selbstauswertung, die im Internet angeboten werden, sollte man die Finger lassen. Für Ungeübte ist das Verfahren mit Schwierigkeiten verbunden, man muss darin Routine haben. Und für einen tiefen Nasenabstrich braucht man beim Selbstversuch viel Überwindung.

Wer sicher sein will, dass seine Liebsten, die er besucht oder die er einlädt, ebenfalls virenfrei sind, kann ihnen und sich etwas Gutes tun: Er schenkt ihnen schon eine Woche vorher FFP2-Masken. Sie schützen den Träger, aber auch seine Gegenüber vor Ansteckung.

Das Geschenk darf allerdings kein Auslassventil haben (das ist beinahe ein Kanonenrohr, wenn der Träger unwissentlich selbst infiziert ist) und sollte an eine Absprache geknüpft sein: Masken müssen getragen werden, und zwar richtig. Gerade Ältere neigen hier zur Gottergebenheit, nach dem Motto: Wir haben schon einen Weltkrieg überlebt, wird schon nichts passieren. Wer so kalkuliert, überlebt möglicherweise Corona nicht.

Man sieht, viele Unwägbarkeiten lassen sich ausschließen. Wer das aber nicht kann oder will, für den könnte die strategische Planung mit einer Ortsbegehung beginnen. Wie groß ist unser Wohnzimmer (oder die Küche) wirklich? Wie weit können wir unterschiedliche Hausstände voneinander wegsetzen? Die Antwort entscheidet über die Konsequenzen. Wer eine Drei-Zimmer-Wohnung mit knapp 50 Quadratmetern Gesamtfläche zu bieten hat, bei dem wird es schwierig, aber nicht unmöglich. Wenn freilich sechs Personen plus drei Kinder unter 14 im Wohnzimmer versammelt sind, steigt das Infektionsrisiko ins Horrende, dann sollte man seine Liebsten aus Liebe lieber nicht treffen. Wer davon nicht absehen möchte, kann die Gefahren wenigstens etwas senken. Viele Maßnahmen in diese Richtung fallen unter „intelligentes Improvisieren“, und alle Gäste sollten sie vorher kennen. Ein Corona-Weihnachten mit Überraschungen verbietet sich.

In jedem Fall sollte man den Wetterbericht studieren. Nach aktuellen Prognosen wird Weihnachten kaum sibirisch kalt werden. Das macht das Lüften nicht zur Plage. Ohne häufige Zufuhr von Frischluft geht es sowieso nicht, will man drinnen feiern.

Die Mahlzeiten bergen weitere Probleme. Wenn alle an einem Tisch sitzen, wird es eng. Aber kommt menschliche Nähe nur durch räumliche Nähe zustande? Wenn mehrere Tische verfügbar sind, sollte man die verschiedenen Hausstände in schönem Abstand voneinander platzieren. Jeder bekommt ein Esseckchen. Häufiges Lüften vertreibt übrigens auch Küchengerüche.

Weihnachten ist kein Fest, an dem Glaubensfragen ausgetragen werden. In diesem Jahr stellt sich eine: Soll man daheim im Fall von Unsicherheit eine Maske tragen? Die Infektionsforschung weiß, dass Menschen umso nachgiebiger bei dieser Frage sind, desto besser sie die Menschen zu kennen meinen, mit denen sie engeren Kontakt haben. Dieser Irrglaube kann böse Folgen haben. Wer bis kurz vor Heiligabend arbeiten muss und dabei Kontakt zu anderen Menschen hat, der kommt an der Maske zu Weihnachten kaum vorbei.

Ja, das Fest im Jahr 2020 wird nach Fastenzeit schmecken. Aber wir haben schon ganz andere Sachen nur aus Liebe gemacht.

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