Vor Bund-Länder-Beratungen Söder warnt vor „Blindflug“ in dritte Corona-Welle

München/Dresden · Vor den neuen Bund-Länder-Beratungen über den weiteren Kampf gegen das Coronavirus haben die Ministerpräsidenten von Bayern und Sachsen eindringlich vor übereilten Öffnungsschritten gewarnt. Bayern und Sachsen fordern zudem Sonderhilfen für Corona-Hotspots.

Markus Söder (r), CSU-Parteivorsitzender und bayerischer Ministerpräsident.

Markus Söder (r), CSU-Parteivorsitzender und bayerischer Ministerpräsident.

Foto: dpa/Peter Kneffel

Es dürfe keinen „Öffnungsrausch“ geben und keinen „Blindflug in die dritte Weller hinein“, die Politik dürfe nicht die Nerven verlieren, sagte Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) am Montag bei einer Online-Pressekonferenz mit seinem sächsischen Kollegen Michael Kretschmer (CDU). Kretschmer mahnte ebenfalls, es könne nun nur um kleine Öffnungsschritte gehen.

Söder und Kretschmer verwiesen auf die sich weiter ausbreitende Virusmutation. „Die Mutation übernimmt“, sagte Söder und warnte: „Auf die derzeitige Inzidenz-Tabelle kann keiner ein festes Haus bauen.“

Kretschmer betonte: „In dieser Zeit der steigenden Infektionen kann doch jetzt keine große Lockerung erfolgen. Es ist doch vollkommen klar, dass das das Falscheste ist.“ Es könne also jetzt nur um kleine Schritte gehen - und um eine Teststrategie, die Klarheit schaffe. „Aus dem System der pauschalen Kontaktvermeidung müssen wir kommen in ein System der sicheren Kontakte“, sagte Kretschmer. Das gehe aber nur mit einem Schnelltestkonzept. Lockerungsschritte in der Kultur, im Sport, in der Wirtschaft, in der Bildung müsse man daran binden.

Söder warnte aber: „Schnelltests sind eine echte Hoffnungschance - aber Schnelltests sind wohl keine Schnellwaffe, die bereits ab nächster Woche umfangreich zur Verfügung steht.“ Er forderte den Bund deshalb dringend auf, bis Mittwoch etwas zu dem Thema vorzulegen. Am Mittwoch wollen sich die Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu neuen Beratungen treffen.

Söder sagte mit Blick darauf: „Wir müssen die richtige Balance finden zwischen Vorsicht und Öffnen. Und wir dürfen auf keinen Fall die Nerven verlieren.“ Es brauche ein abgestimmtes, ausbalanciertes Öffnen mit Leitplanken und Sicherheitspuffer. „Wir sind nicht gegen Öffnungen, wir sind für ein ausbalanciertes Öffnungssystem.“ Dabei müsse es regionale Differenzierungen geben - aber auch eine einheitliche Philosophie und keinen „Wildwuchs“ in Deutschland. Es werde auch darum gehen, Zeitachsen zu definieren, etwa bis Ostern. Entscheidend seien aber immer die Corona-Zahlen, nicht Zeitpunkte.

Bayern und Sachsen fordern zusätzlichen Impfstoff für Hotspots

Bayern und Sachsen fordern aus Berlin und Brüssel Sonderhilfen für Corona-Hotspots. „Wir wünschen vom Bund und von der EU zusätzliche Impfstofflieferungen“, sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Montag in München. Dies sei wichtig, damit perspektivisch auch hier durch sinkende Inzidenzen Öffnungen wieder vertretbar würden. Bayern werde seine Hotspots ebenfalls „bewusst stärken“ und mehr Impfstoff in die Landkreise in den Grenzregionen geben.

Beide Länder wollten zudem Tschechien besser helfen, nicht nur mit der Aufnahme von Corona-Patienten in Krankenhäusern. „Wir müssen das Herz Europas unterstützen, das leidet besonders unter Corona. Dieses Herz braucht besondere Unterstützung, man müsse dessen Pumpleistung erhöhen“, betonte Söder. Um die schwierige Lage in Tschechien zu verbessern, würden Bayern und Sachsen zudem Schnelltests und Impfstoff an das Nachbarland liefern.

Mit den jetzigen Werkzeugen könne die Corona-Situation in den Grenzregionen nicht gelöst werden, sagte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Hier brauche es ein besonderes Impfregime für die Hotspots. Er schlug für die betroffenen Regionen etwa Impfangebote für alle Erwachsenen über 18 Jahren vor. Das sei eine Möglichkeit, die Ausbreitung des Virus zu verhindert.

Bayern und Sachsen sind durch ihre Grenzen zu Tschechien derzeit besonders herausgefordert: Landkreise in Grenznähe zählen seit einiger Zeit zu den auffälligsten Corona-Hotspots in Deutschland. Deshalb laufen inzwischen auch verschärfte Kontrollen an den Grenzen zum Nachbarland Tschechien.

Kretschmer schließt Impfpflicht erneut nicht völlig aus

Kretschmer schließt eine spätere Impfpflicht für eine Corona-Schutzimpfung weiter nicht völlig aus. Momentan stelle sich diese Frage aber noch nicht, sagte er am Montag in einer gemeinsamen Online- Pressekonferenz mit seinem bayerischen Amtskollegen Markus Söder. Man dürfe in dieser Situation nicht zu schnell „nie“ sagen. Ähnlich hatte sich Kretschmer am Wochenende bereits in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ geäußert.

Wer sich nicht impfen lassen wolle, werde seine Grundrechte aber nicht verlieren, sagte Kretschmer: „Das wäre ja noch schöner.“ Derzeit gebe es nicht genügend Impfstoff, um jeden zu impfen, der das wolle. „Deshalb kann man diese Frage jetzt nicht beantworten.“ Es gehe auch um die Frage, welche Kosten die Pandemie verursache und ob man auch nur im Ansatz das Risiko eingehen wolle, dass so etwas noch einmal passiert. Zudem müsse man abwarten, welche Erfahrungen es mit dem Impfstoff gebe, welchen Schutzfaktor und welche Verträglichkeit er bringe.

Söder wollte mit Blick auf eine mögliche Impfpflicht nicht so weit gehen. Es müsse aber eine andere Form von Wahrnehmung geben: „Es ist doch ganz klar: Wenn sich jemand nicht impfen lassen will und jemand anderes impft sich, warum soll der, der sich impfen lässt, dann die entsprechenden Nachteile in Kauf nehmen.“ Das sei nicht gerecht. „Wer sich impfen lässt, schützt sich und andere.“ Für diejenigen müsse sich das Leben so weit wie möglich normalisieren.

„Das Wichtigste ist jetzt, dass jeder ein Angebot bekommt, der sich impfen lassen will. Im Moment erleben wir ja eher die Situation, dass sich viele impfen lassen wollen und keine Chance haben, geimpft zu werden“, betonte Söder. Es sei auch wichtig, dass man bald Impfstoffe für Kinder und Jugendliche habe: „Ich halte es nach wie vor für sinnvoll, dass wir auch die Zulassungsverfahren beschleunigen.“ Andernfalls verliere man Impfgeschwindigkeit. Der Verlust von Impfgeschwindigkeit sei die „Verzögerung von Freiheit“.

(lha/dpa)
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