Lockdown wegen Delta-Variante Die Pandemie schlägt in Portugal zurück

Lissabon · Ein Teil des bei Touristen beliebten Landes auf der iberischen Halbinsel muss erneut in den Lockdown, die Hauptstadt Lissabon wurde am Wochenende abgeriegelt. Der Grund ist die Delta-Variante des Virus, die bald auf den Rest Europas übergreifen könnte.

 Gespenstische Leere: Ungewohnt wenig Menschen spazieren nach dem erneuten Lockdown durch die verwaiste Innenstadt von Lissabon.

Gespenstische Leere: Ungewohnt wenig Menschen spazieren nach dem erneuten Lockdown durch die verwaiste Innenstadt von Lissabon.

Foto: dpa/Pedro Fiuza

Straßenkontrollen an den Ausfallstraßen, Beschränkungen der Bewegungsfreiheit: Portugals Hauptstadt Lissabon ist am Wochenende wieder in einen harten Lockdown gegangen. Von Freitag bis diesen Montagmorgen soll der Großraum Lissabon abgeriegelt bleiben. An den kommenden Wochenenden wird die Sperrung voraussichtlich ebenfalls gelten.

Überhaupt stehen die Zeichen wieder auf Abwehrkampf gegen das Virus. Mit der weitreichenden Maßnahme der Zugangsbeschränkung zur Hauptstadt will die Regierung verhindern, dass sich die in Lissabon inzwischen gehäuft auftretende Delta-Variante des Coronavirus auf das ganze Land ausbreitet.

Da die die Infektionskurve in Portugals größtem Ballungsgebiet derzeit steil ansteigt, wurde zudem die Lockerung der Corona-Beschränkungen in Lissabon gestoppt. Die Sieben-Tage-Inzidenz in der Hauptstadt kletterte am Samstag auf 173 neue Ansteckungen pro 100.000 Bewohner. Zum Vergleich: In Deutschland lag die Wocheninzidenz am Sonntag bei neun.

Die Wendung kommt überraschend: Seit April dieses Jahres hatte Portugal eine der niedrigsten Infektionszahlen Europas. Nun verursacht die zuerst in Indien entdeckte Delta-Mutante einen herben Rückfall. Alle 24 Stunden werden im ganzen Land derzeit 1200 bis 1300 neue Fälle gemeldet, so viele wie seit vier Monaten nicht mehr – etwa zwei Drittel davon in Lissabon und Umgebung. Nach Schätzung portugiesischer Virologen ist die Delta-Mutante inzwischen im Großraum Lissabon bereits der vorherrschende Virustyp. Mehr als 50 Prozent aller Infektionsfälle würden mittlerweile mit Delta in Verbindung gebracht, hieß es.

Europaweit sind die Gesundheitsbehörden nun besorgt: Denn auch die vergangene Coronawelle auf dem Kontinent kündigte sich zuerst in Portugal an. Damals war es die britische Variante, die jetzt Alpha heißt, die von Großbritannien aus ins Land schwappte und dort die Fallzahlen explodieren ließ. Nun könnte sich dieses Szenario mit der Delta-Variante wiederholen, die vermutlich ebenfalls über Großbritannien nach Portugal gelangte. Die Delta-Mutante gilt als noch ansteckender als dies bei der Alpha genannten der Fall war. In Großbritannien ist sie schon seit Wochen der vorherrschende Virustyp. Es gilt als wahrscheinlich, dass die Mutante mit britischen Reisenden in das beliebte Urlaubsland kam. Die meisten ausländischen Touristen in Portugal kommen traditionell aus dem Vereinigten Königreich. Nun könnte sich rächen, dass Portugal nicht wie zum Beispiel Deutschland, Österreich oder auch die Schweiz eine Quarantänepflicht für Einreisende aus Großbritannien erlassen hat. Die Sperrung Lissabons an den Wochenenden könnte erst der Anfang neuer Restriktionen der Bewegungsfreiheit sein. „Niemand kann garantieren, dass wir nicht zum Lockdown zurück müssen“, warnt Regierungschef António Costa bereits.

In der Metropolregion Lissabon leben 2,9 Millionen Menschen – das sind fast 30 Prozent der insgesamt 10,3 Millionen Einwohner des Landes. Zum Sperrgebiet gehören auch die bei Einheimischen und Touristen beliebten umliegenden Städte Cascais, Setúbal und Sintra.

Portugiesische Epidemiologen wie Manuel Carmo Gomes von der Uni Lissabon warnen, dass dies der Anfang einer neuen Coronawelle sein könnte. Gomes geht davon aus, dass sich die Ausbreitung der Delta-Variante nur mit härteren Einschränkungen aufhalten lassen wird. „Ich hoffe, ich irre mich. Aber ich bin skeptisch, dass sich die Situation nur mit Sperrungen am Wochenende kontrollieren lässt“, sagte er der Zeitung „Diário de Notícias“.

An der Urlaubsküste Algarve steigen die Infektionsfälle ebenfalls bedenklich. Aus der Algarve-Region wurde am Samstag eine Wocheninzidenz von 95 neuen Fällen pro 100.000 Einwohner gemeldet. Landesweit stieg die wöchentliche Fallhäufigkeit auf 72. Da die Delta-Mutante sehr ansteckend ist, kann sich die Coronalage binnen kurzer Zeit erheblich verschlechtern, Urlauber sollten sich also kontinuierlich über die Situation informieren. Portugals Tourismusindustrie zittert bereits. Sie befürchtet, dass die Delta-Mutante dem gerade angelaufenen Feriengeschäft wieder einen Strich durch die Rechnung machen könnte.

Übrigens: Auch im Nachbarland Spanien könnte sich demnächst wegen der Delta-Variante das Infektionsgeschehen wieder zuspitzen. Auf Mallorca ist die neue Coronavariante bereits für zehn Prozent aller Fälle verantwortlich, die Sieben-Tage-Inzidenz auf der Insel ist mit unter 20 aber immer noch beruhigend niedrig. In Katalonien mit der populären Urlaubsküste Costa Brava wird indes jedoch schon jede fünfte Ansteckung durch Delta verursacht – allesamt keine sonderllich guten Vorzeichen für diesen Sommer und die anstehende Hauptreisezeit.

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