Kampf für Schutzvorkehrungen Pflegeheime fordern dringend Unterstützung in Corona-Notlage

Berlin · Pflegeeinrichtungen werden zusehends zu kritischen Bereichen in der Corona-Epidemie, denn die Bewohner gehören zur Hochrisikogruppe. Doch Heime sehen sich im Kampf für Schutzvorkehrungen alleingelassen.

 Zwei pflegebedürftige Frauen sitzen in einem Pflegeheim in ihren Rollstühlen nebeneinander.

Zwei pflegebedürftige Frauen sitzen in einem Pflegeheim in ihren Rollstühlen nebeneinander.

Foto: dpa/Sebastian Kahnert

Für Hunderttausende Pflegebedürftige und ihre Familien ist es gerade eine ständige Sorge: Wie gut behütet kommen die Pflegeheime durch die Corona-Krise, die für die älteren und meist geschwächten Bewohner erhöhte Gesundheitsrisiken bedeutet? In mehreren Einrichtungen brachen schon größere Infektionen aus, auch für die ohnehin knappen Pflegekräfte steigen die Belastungen weiter. Heimbetreiber fordern stärkere Unterstützung, um bedrohliche Notlagen abzuwenden. „Man muss versuchen, jedwedes Risiko so klein wie möglich zu halten“, sagte der Präsident des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste, Bernd Meurer, der Deutschen Presse-Agentur.

Neben Arztpraxen und Kliniken sind Pflegeeinrichtungen zu besonders zu schützenden Standorten in der Epidemie geworden. „In dem Moment, wo es eine Corona-Infektion in einem Pflegeheim gibt, ist die Lage absolut kritisch“, sagt Meurer. „Ein Ausbruch ist eine mittlere Katastrophe.“ Das hätten schon einige Beispiele in verschiedenen Bundesländern gezeigt. „Die Folgen sind leider immer fatal. Oft geht eine Infektion für Bewohner tödlich aus.“ Doch Schutzausstattung sei in vielen Heimen immer noch knapp. Nötig seien auch mehr Tests für Pflegekräfte und bessere Kooperation der Behörden.

Nach staatlichen Beschaffungen von Schutzmasken sei überall ein bisschen etwas angekommen. „Aber viel zu wenig, um im Fall der Fälle handlungsfähig zu sein“, sagte Meurer. „Es kann nicht sein, dass Pflegeheime beim Nachschub hintenanstehen müssen.“ Angesichts dieser Engpässe habe sich auch der Verband erstmals in die Beschaffung eingeschaltet und mittlerweile rund sieben Millionen Masken importiert und verteilt. Weitere 20 Millionen Masken seien gekauft.

„In einer Einrichtung arbeiten am Tag 30, 40 Mitarbeiter vom Früh- bis zum Spätdienst“, erläuterte Meurer. „Dann braucht man schon einmal 30, 40, 50 ganz normale Mundschutzmasken nur zur Prävention, ohne dass es Coronafälle gibt.“ Es brauche aber auch Schutzbrillen, Kittel und Desinfektionsmittel. Der Verband vertritt nach eigenen Angaben 5400 Pflegeeinrichtungen mit 330 000 Plätzen sowie 5600 Pflegedienste mit 255 000 betreuten Patienten.

„Die Einrichtungen können diese Situation nicht alleine bewältigen“, warnte Meurer. Gebraucht würden klare, pragmatische Anweisungen und Handlungsspielräume von den Gesundheitsämtern und den Ländern, die auch umsetzbar seien. „Es geht nicht, wenn manche Länder einfach einen Erlass herausgeben, uns aber ansonsten im Regen stehen lassen und nicht sagen, wie wir das überhaupt schaffen sollen.“ Gefragt seien mehr Beratung und Unterstützung. „Auch ein Landesministerium muss mit uns gemeinsam Verantwortung für Entscheidungen tragen, die man im Einzelfall treffen muss“, sagte der Verbandspräsident.

„Man muss sich auch vorbereiten auf den Fall der Fälle, dass es zu einer Infektion kommt“, betonte Meurer. „Das heißt, man muss Bewohner isolieren können.“ Dafür müssten Abteilungen und Schleusen gebaut werden, Schutzmaterial werde benötigt. Erforderlich sei quasi ein zweiter Dienstplan. „Wenn man drei, vier oder fünf Coronafälle hat und Personal abstellen muss, das in andere Heimbereiche nicht mehr hineingehen kann, dann hapert es irgendwann auch am Personal.“

Nötig seien außerdem deutlich mehr Tests. „Es kann doch nicht sein, dass eine Mitarbeiterin, die sich schlecht fühlt, 24 Stunden auf einen Test warten muss“, sagte Meurer. „Es muss eine Überholspur her, um Pflegemitarbeiter schneller zu testen.“

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) plant bereits eine Ausweitung von Tests mit dem erklärten Ziel, vor allem Pflegebedürftige und Pflegekräfte durch Reihenuntersuchungen besser zu schützen. Flächendeckende Testungen fordert auch die FDP, wie Fachpolitikerin Nicole Westig sagte. Für die auf engem Raum zusammenlebenden Menschen in Heimen müsse schon präventiv mehr getan werden, um überhaupt Ansteckungen zu verhindern.

Dafür gelten in vielen Einrichtungen auch Besuchsbeschränkungen und andere Sonderregeln. „Wenn ein Bewohner aus dem Krankenhaus in ein Heim kommt, dann fordern wir, dass er vorher getestet wird“, sagte Meurer. „Das bekommen wir aber nicht überall.“ Selbst wenn ein neuer Bewohner negativ getestet worden sei, solle er wenn möglich zunächst für 14 Tage in einem Quarantänezimmer untergebracht werden.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz mahnt weitere Vorkehrungen an. So brauche jede Einrichtung ein verbindliches Monitoring. „Damit wird dokumentiert, wer wann wen betreut hat“, sagte Vorstand Eugen Brysch der dpa. „Gleichzeitig ist nachvollziehbar, welche Besucher empfangen worden sind oder mit welchen Mitbewohnern Kontakt gepflegt wurde.“

Überfällig seien auch örtliche Task-Forces aus Ärzten, Pflegekräften der Kliniken, niedergelassenen Medizinern und freien Pflegekräften. „Sonst sind Ketteninfektionen kaum zu bewältigen.“ Als Anerkennung für Pflegekräfte wird gerade auch über einen Corona-Bonus von bis zu 1500 Euro verhandelt - die Finanzierung ist aber noch nicht klar.

(ala/dpa)
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