Studie zu Corona-Krise Klinikchefs rechnen mit Verlusten

Düsseldorf · Gesundheitsminister Spahn hatte zu Beginn der Corona-Krise planbare Operationen aussetzen lassen, um mehr Kapazitäten für Intensivpatienten zu schaffen. Mit Erfolg: Zu keiner Zeit war das deutsche Gesundheitssystem gefährdet. Doch so manches Krankenhaus könnte nun dadurch ins Defizit stürzen, wie eine Studie zeigt.

 Etliche Betten auf den Intensivstationen blieben in der Krise leer.

Etliche Betten auf den Intensivstationen blieben in der Krise leer.

Foto: dpa/Jonas Güttler

Die Bilder aus Italien gaben wohl den Ausschlag. In den Kliniken des Landes konnten Mediziner und Pfleger in der Hochphase der bisherigen Corona-Pandemie im März und April nicht mehr alle Patienten behandeln. Die Intensivstationen waren überfüllt. Das italienische Gesundheitssystem kollabierte. In Deutschland beugte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn einem solchen Szenario mit der Aussetzung planbarer Operationen vor. Kliniken sollten herkömmliche Eingriffe verschieben, um mehr Kapazitäten für Corona-Intensivpatienten zu schaffen.

Der Schritt war erfolgreich. Zu keiner Zeit war das deutsche Gesundheitssystem gefährdet. Doch die ausgefallenen Operationen und die zahlreichen freigehaltenen Betten könnten so manches Krankenhaus nun ins Defizit stürzen. Fast sechs von zehn deutschen Kliniken (57 Prozent) rechnen für 2020 mit einem Verlust, im vergangenen Jahr schrieben noch 32 Prozent rote Zahlen, heißt es in der Krankenhausstudie 2020 der Unternehmensberatung Roland Berger. Für die Untersuchung haben die Studienautoren Klinikmanager der 600 größten Krankenhäuser in Deutschland befragt. Bei Kliniken mit mehr als 1000 Betten sank die Belegung der Intensivstationen in der Hochphase der Pandemie um 27 Prozent, auf Normalstationen um 37 Prozent.

Die Ausfälle der Kliniken sollen durch das im März verabschiedete Krankenhausentlastungsgesetz aufgefangen werden. Kliniken erhalten demnach eine Pauschale von 560 Euro pro freigehaltenem Bett. Bei 75 Prozent der großen Häusern mit mehr als 1000 Betten konnten diese Mittel die Ausfälle aber bisher nicht kompensieren, heißt in der Studie. In kleineren Häusern mit weniger als 500 Betten sieht das nur etwa die Hälfte der Manager so.

Der Grund dafür liegt im Fallpauschalensystem. Größere Kliniken behandeln mehr Schwerkranke und erhalten dafür im Normalbetrieb mehr Geld von den Krankenkassen. Aufgrund dieser unterschiedlichen Kostensituation ist seit Kurzem die tägliche Pauschale für freigehaltene Betten zwischen mindestens 360 Euro bis höchstens 760 Euro gestaffelt. „Ob dies ausreicht, wird die Infektionsentwicklung zeigen“, teilt die Krankenhausgesellschaft NRW mit: „Wir nehmen ausdrücklich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in die Pflicht. Er hat am 13. März in seinem Brief an die Krankenhäuser zu Beginn der Corona-Krise vollmundig verkündet, dass die Bundesregierung durch gesetzliche Maßnahmen zügig sicherstellen werde, dass die dadurch entstehenden wirtschaftlichen Folgen für die Krankenhäuser ausgeglichen werden und kein Krankenhaus dadurch ins Defizit kommt.“

Matthias Mohrmann, Vorstandsmitglied der AOK Rheinland/Hamburg, sagt: „Bei der Entwicklung der Krankenhausstrukturen werden wir natürlich die Erkenntnisse der Corona-Krise berücksichtigen. Aus einer Befragung von Krankenhausgeschäftsführern bezüglich des laufenden Corona-Ausnahmejahres 2020 grundlegende Rückschlüsse ableiten zu wollen, erscheint uns allerdings wenig sinnvoll.“ Die in der Studie dargestellten Empfehlungen seien unabhängig von Corona nicht verkehrt, aber auch nicht neu. Studienleiter Peter Magunia rät Kliniken zum Beispiel, offener für Kooperationen mit anderen Häusern zu sein und ambulante Angebote auszubauen.

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