Corona-Pandemie  Jede vierte Neuinfektion in NRW

Berlin/Düsseldorf · Die Zahl der Corona-Fälle steigt sprunghaft, in Nordrhein-Westfalen sind die Werte besonders hoch. Das RKI hält 10.000 Fälle pro Tag für möglich. Die Kliniken sehen sich dennoch gerüstet.

 Warnhinweise an einem Gymnasium in Duisburg-Meiderich.

Warnhinweise an einem Gymnasium in Duisburg-Meiderich.

Foto: Christoph Reichwein (crei)

Die Zahl der Corona-Neuinfektionen in Deutschland ist sprunghaft gestiegen. Die Gesundheitsämter meldeten 4058 neu erfasste Infektionen in den vorangegangenen 24 Stunden, wie das Robert-Koch-Institut (RKI) am Donnerstag mitteilte. Das sind über 1200 mehr als am Mittwoch, als mit 2828 Neuinfektionen bereits ein neuer Höchstwert seit April erreicht worden war.

Allein Nordrhein-Westfalen meldete 1056 Infektionen – mehr als ein Viertel der neuen Fälle, obwohl auf NRW nur gut ein Fünftel der Einwohner Deutschlands entfällt. Drei weitere nordrhein-westfälische Großstädte überschritten am Donnerstag die Marke von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen: Hagen, Wuppertal und Aachen. Weiter über der 50er-Marke liegen Hamm und Remscheid. Die Corona-Schutzverordnung des Landes schreibt ab einem Wert von 50 weitere Einschränkungen vor, unter anderem bei Festen. Siegburg schickte alle Schüler vorzeitig in die Herbstferien. Die landesweite Inzidenz­ stieg in NRW am Donnerstag auf 27,0 – den höchsten Wert der deutschen Flächenländer.

Der Anstieg gehe sehr wahrscheinlich nicht auf Nachmeldungen oder dergleichen zurück, sondern spiegele das Infektionsgeschehen wider, erklärte das RKI. Dessen Präsident Lothar Wieler sagte in Berlin: „Die Situation beunruhigt mich sehr.“ Es sei möglich, „dass wir mehr als 10.000 neue Fälle pro Tag sehen. Es ist möglich, dass sich das Virus unkontrolliert verbreitet.“

Ähnlich äußerten sich Mitglieder der Bundesregierung. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte, es gelte zu verhindern, dass es mit schnelleren Zuwächsen zu einem Moment komme, „wo wir die Kontrolle verlieren“. Er betonte aber: „Da sind wir noch nicht.“ Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) sagte, man sehe in einigen Großstädten nicht nur, dass der 50er-Grenzwert überschritten werde, sondern auch, dass die Zahlen sehr schnell stiegen. „Das heißt, dass die Kontaktnachverfolgung in den Gesundheitsämtern möglicherweise an einigen Stellen nicht mehr funktioniert. Das ist der klassische Beginn einer zweiten Welle“, sagte Braun bei RTL/N-TV.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will an diesem Freitag mit den elf größten Städten über die Lage beraten. Merkel nehme an einer Videokonferenz teil, sagte ein Regierungssprecher. Laut „Spiegel“ nehmen die Stadtoberhäupter von Berlin, Hamburg, Bremen, München, Frankfurt am Main, Köln, Düsseldorf, Dortmund, Essen, Leipzig und Stuttgart teil. Auch Berlin hat inzwischen die 50er-Marke übersprungen.

Die steigenden Ansteckungszahlen machen sich auch auf den Intensivstationen in NRW bemerkbar. Nach Angaben der Landesregierung wurden am Donnerstag 535 Covid-19-Patienten in Kliniken behandelt – vor einem Monat waren es nur 190. Auf der Intensivstation lagen 136 Patienten, 75 wurden beatmet.

Die Krankenhausbetreiber sehen sich auf eine zweite Welle dennoch gut vorbereitet. „Die Kliniken verfügen über die höchsten Intensivbettenkapazitäten in Europa. So sind wir in der Lage, innerhalb kurzer Frist mindestens 12.000 weitere Intensivbetten zu aktivieren“, sagte der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß. Man habe in der ersten Welle Erfahrungen gesammelt und könne jetzt zielgenauer und schneller reagieren. (mit dpa und epd)

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort