WHO feiert Studie Hoffnungsträger Dexamethason

Oxford · Das Cortison-Medikament senkt offenbar die Sterberate bei schwerkranken Covid-19-Patienten. Dies ist das Ergebnis einer großen britischen Studie mit 11.500 Patienten in 175 Kliniken. Die WHO spricht von „großartigen Neuigkeiten“.

 Das Mittel macht der WHO Hoffnung.

Das Mittel macht der WHO Hoffnung.

Foto: AFP/JUSTIN TALLIS

Rheuma-Patienten nicken aufgeregt: Dieses Medikament kennen sie bereits. Und andere Kranke, die sich mit den Lungenkrankheit COPD herumschlagen, können auch schon mit diesem Mittel Kontakt gehabt haben. Sie alle mussten ihre Anfangsbedenken, dass sie nun ein Cortison-Präparat einnehmen müssen, der Einsicht opfern, dass es ihnen trotz der Nebenwirkungen wirklich hilft.

Dieses Medikament namens Dexamethason hat offenbar auch das Potenzial zu einem sehr wichtigen Wirkstoff gegen Covid-19. Nach aktuellen Erfolgsmeldungen zu den Therapieerfolgen ist auch die Weltgesundheitsorganisation WHO euphorisch: „Das sind großartige Neuigkeiten“, sagte deren Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus.

Tatsächlich bedeuten die ersten, noch vorläufigen Ergebnisse einer britischen Studie zu Dexamethason als Mittel gegen Covid-19 einen Durchbruch, auch wenn er nicht riesig ist. Trotzdem ist es einer. Bei dem entzündungshemmenden Dexamethason handle es sich um das erste Mittel, das die Sterblichkeit von Covid-19-Patienten verringere, die auf Sauerstoff oder Beatmungsgeräte angewiesen seien, sagte der WHO-Chef. Bei Patienten, die künstlich beatmet wurden und das Medikament bekamen, sank die Sterberate um ein Drittel, wie die federführenden Wissenschaftler von der Universität Oxford berichteten. Die Studie trägt den bezeichnenden Titel „Recovery“ (Genesung, Wiederherstellung), sie ist bislang nicht von anderen Experten begutachtet worden, ein durchaus üblicher Vorgang in Pandemie-Zeiten.

In der Studie untersuchten Wissenschaftler die Eignung verschiedener bereits zugelassener Medikamente als Mittel gegen Covid-19. Insgesamt wurden den Angaben zufolge mehr als 11.500 Patienten aus über 175 Kliniken in Großbritannien in die Studie aufgenommen. Der Dexamethason-Teil der Studie umfasste 2104 Patienten, die für zehn Tage einmal täglich sechs Milligramm Dexamethason bekamen. 4321 Patienten dienten als Kontrollgruppe.

Die Sterblichkeit nach 28 Tagen war unter den künstlich beatmeten Patienten am höchsten. Ohne Dexamethason-Behandlung lag sie bei 41 Prozent. In der Versuchsgruppe sank sie um ein Drittel. Bei den Patienten, die Sauerstoff bekamen, aber nicht künstlich beatmet wurden, sank sie um ein Fünftel. Bei den Patienten, die gar keinen Sauerstoff benötigten, zeigte die Behandlung keine Wirkung.

Das bedeutet: Bei der Behandlung von acht schwerkranken Covid-19-Patienten durch Dexamethason würde ein Todesfall verhindert, hieß es. „Dexamethason ist das erste Medikament, für das gezeigt werden konnte, dass es die Überlebenschancen bei Covid-19 verbessert“, sagte Peter Horby von der Universität Oxford. Das Mittel sei preiswert und könne sofort eingesetzt werden, um weltweit Leben zu retten, so der Wissenschaftler.

Derzeit gibt es im Kampf gegen Covid-19 eine Reihe von Versuchen mit bestehenden Wirkstoffen oder Medikamenten, die Ergebnisse sind allerdings gemischt. So konnte der antivirale Wirkstoff Remdesevir zwar die Behandlungsdauer von Covid-19-Patienten im Krankenhaus senken, doch dass er auch Leben rettet, ließ sich bisher nicht beweisen.

Erst am Montag hatte die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA eine Sondergenehmigung für die (von Präsident Donald Trump schon vorab gefeierten) Malaria-Mittel Hydroxychloroquin und Chloroquin zum Einsatz gegen das Coronavirus widerrufen, weil die Wirkungslosigkeit der Medikamente erwiesen war.

Dexamethason greift bei üblicher Anwendung lindernd in Entzündungsprozesse ein. Insbesondere hemmt es die Ausschüttung von Prostaglandinen, bestimmte Botenstoffe, die stark am Fortschreiten von Entzündungen beteiligt sind. Wegen der breit gefächerten Wirkung können Glukokortikoide wie Dexamethason viele Nebenwirkungen haben. Diese lassen sich aber durch richtige Anwendung und Dosierung in der Regel gut beherrschen.

(Mit Material von dpa und der WHO)

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