Lockdown-Folgen Tauben leiden unter Corona-Krise – Tierschützer fordern Städte zum Handeln auf

Der Lockdown ist auch ein Problem für Stadttauben: Sie finden weniger Essensreste zum Aufpicken. Tierschützer fürchten ihren Hungertod. In einigen Städten dürfen sie die Vögel nun ausnahmsweise füttern.

 Claudia Schneider, Ehrenamtliches Mitglied des Tierschutzvereins für Stadttauben und Wildtiere, füttert vor der Nürnberger Stadtmauer Tauben.

Claudia Schneider, Ehrenamtliches Mitglied des Tierschutzvereins für Stadttauben und Wildtiere, füttert vor der Nürnberger Stadtmauer Tauben.

Foto: dpa/Daniel Karmann

Die Tauben ziehen weite Kreise um die Nürnberger Stadtmauer. Nach und nach landen sie auf den Dächern der Türme und scheinen erwartungsvoll nach unten zu blicken. Dort nimmt Claudia Schneider gerade einen Beutel mit Körnerfutter aus ihrer Tasche. Als sie die erste Handvoll im Schnee verstreut, schießen die Tauben geradezu herunter.

„Wenn die so zum Futter stürzen, sieht man, was die für einen Hunger haben“, sagt Claudia Rupp, Vorsitzende des Tierschutzvereins für Stadttauben und Wildtiere. Sie wirft einen prüfenden Blick auf die pickenden Tauben. „Aktuell kommen bis zu 100 Tiere.“ Im ersten Lockdown seien es noch dreimal so viele gewesen. „Man merkt, dass es eine Dezimierung der Bestände gibt.“

Die Corona-Krise und auch die Kälte setzen den Nürnberger Stadttauben zu. Claudia Schneider und neun andere Ehrenamtliche des Vereins dürfen deshalb wie im ersten Lockdown vorübergehend an sechs Plätzen in der Stadt die Tauben einmal täglich mit Körnerfutter versorgen.

Die Stadt hat ihnen dafür eine Ausnahmegenehmigung vom allgemeinen Fütterungsverbot erteilt - und nur ihnen, wie die Umweltreferentin Britta Walthelm betont. „Weil wegen des Lockdowns alle Geschäfte und die Gastronomie geschlossen haben und weniger Passanten in der Innenstadt unterwegs sind, finden die Tauben wenig zu fressen“, begründet Walthelm die auf drei Monate begrenzte Ausnahme.

Dass die menschenleeren Innenstädte ein Problem für die Tauben werden könnten, das hat der Deutsche Tierschutzbund schon während des ersten Lockdowns befürchtet. Viele Stadttauben ernähren sich von Bratwurst, Pommes, Brötchen und allen möglichen anderen Resten, die sie in Mülleimern und auf dem Boden finden.

Der Tierschutzbund fordert deshalb von den Kommunen, während des Lockdowns kontrollierte Notfütterungen mit artgerechtem Körnerfutter zu erlauben. „Ziel ist nicht, dass Menschen überall ausschwärmen und Brot verstreuen“, betont Sprecherin Lea Schmitz. Einige Städte wie Nürnberg, Köln, Kiel und Braunschweig gingen dabei mit positivem Beispiel voran. „Die meisten halten aber am Fütterungsverbot fest“, sagt sie.

Wie im ersten Lockdown füttern in Köln zurzeit Ehrenamtliche von zwei Tierschutzvereinen die Stadttauben an bestimmten Plätzen in der Innenstadt. „Da die Tauben nicht mehr ausreichend Essensreste auffinden, sind sie zunehmend geschwächt. In der Konsequenz würde das ein langsames Verhungern – je nach Dauer und Länge des Kontaktverbotes – bedeuten“, sagt Jürgen Müllenberg von der Stadt. Das sei mit dem Tierschutzgesetz nicht vereinbar.

Auch in Kiel gibt es eine Ausnahmegenehmigung, die wie in Köln an die Zeit des Lockdowns gebunden ist. „Grund war und ist der fast dramatisch verschlechterte Gesundheitszustand der Kieler Stadttauben, die infolge des Erliegens des öffentlichen Lebens auf Straßen und Plätzen kaum noch Nahrung fanden“, begründet das Ordnungsamt. Und damit die Notfütterung keine Ratten anlocke, müssten die Ehrenamtlichen danach alle Reste aufkehren. Ähnlich sieht es in Braunschweig aus.

An den Stadttauben scheiden sich die Geister. Während manche Menschen sie als „Ratten der Lüfte“ beschimpfen und ihre Allgegenwärtigkeit in den deutschen Innenstädten einfach nur lästig finden, haben andere ein großes Herz für die Nachkommen entflogener Haustauben.

Obwohl es in vielen Städten verboten ist, Tauben zu füttern, wird dagegen immer wieder verstoßen - so auch in München. „Das Futter wird meist im Schutz der Dunkelheit oder verdeckt ausgestreut“, sagt eine Sprecherin des Gesundheitsreferats. In Würzburg muss sich demnächst sogar eine Frau in einem Bußgeldverfahren vor dem Amtsgericht verantworten, weil sie „wiederholt vorsätzlich unerlaubt“ Stadttauben gefüttert haben soll.

„Ratten der Lüfte“ – diesen Ausdruck lehnt Tierschützerin Claudia Rupp vehement ab. „Tauben sind keine Schädlinge. Sie sind verwilderte Haustiere“, sagt sie. „Dass sie sich so wahnsinnig schnell vermehren, haben ihnen die Menschen angezüchtet.“ Deshalb sieht Rupp auch die Menschen – in dem Fall die Kommunen – in der Pflicht, Verantwortung für die Vögel zu übernehmen.

Wie der Tierschutzbund fordert sie betreute Taubenschläge - wie es sie zum Beispiel in Würzburg und München gibt: Wo Tauben gefüttert und ihre Eier gegen Attrappen getauscht werden, damit weniger Küken schlüpfen.

In beiden Städten gilt deshalb auch während des Lockdowns das Fütterungsverbot. In Würzburg hat die Stadt aber die Futtermenge in den Taubenschlägen erhöht. Dadurch sei es bereits im ersten Lockdown gelungen, mehr Vögel anzulocken, sagt Sprecherin Claudia Lother. Und Kontrollen hätten gezeigt, dass diese gut ernährt seien.

In Hamburg bleiben die Stadttauben dagegen ganz auf sich gestellt. Das Fütterungsverbot bleibt bestehen. „Das Füttern der Tauben ist jedoch auf privatem Grund weiterhin möglich“, sagt Valerie Landau von der Behörde für Justiz und Verbraucherschutz.

Und auch München lehnt es ab, wegen des Lockdowns zusätzliches Futter auszustreuen. „Auch in einem "normalen" Winter sind die Biergärten, Straßencafés und sonstigen Freisitze geschlossen“, betont die Sprecherin vom Gesundheitsreferat. Deshalb gebe es in jedem Winter weniger Essensreste, die die Tauben aufpicken könnten. „Eine besondere Notlage ist daher nicht ersichtlich.“

(dpa)
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