Nach den Einreiseverboten Saisonarbeiter verzweifelt gesucht

In NRW fehlen wegen der Reisebeschränkungen 45.000 Helfer. Doch nächste Woche soll der erste Spargel geerntet werden – auch auf den Feldern von Willi Feiser. Ministerin Klöckner will jetzt Asylbewerber heranziehen.

 Wegen der Corona-Krise müssen Landwirte auf Erntehelfer verzichten. Auch Landwirt Willi Feiser aus Dormagen-Gohr braucht Helfer für seinen Spargel.

Wegen der Corona-Krise müssen Landwirte auf Erntehelfer verzichten. Auch Landwirt Willi Feiser aus Dormagen-Gohr braucht Helfer für seinen Spargel.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

In diesen Tagen ist Willi Feiser mehr Krisenmanager als Landwirt. Er hat Stress, ständig klingelt sein Telefon. Gerade hat er den Kauf eines neuen Traktors abgeblasen, auch die Investition in neue Spargelpflanzen für fünf Hektar Land ist vorerst vom Tisch. „Ich muss mich irgendwie über Wasser halten“, sagt der Landwirt, der eigentlich in die umsatzstarke Spargelsaison starten will. Aber dieses Jahr ist alles anders. Eine Prognose zur Ernte wagt er nicht. Ihm fehlen die Helfer. Gerade mal 20 konnten anreisen, 80 müssten es sein. Mit einem Viertel der sonst üblichen Mannschaft kann Feiser 40 Hektar Spargel und fünf Hektar Erdbeeren nicht abernten. Zudem stehen wichtige Pflanzungen an, sonst ist die nächste Ernte in Gefahr.

So wie dem Bauern aus Dormagen geht es vielen. Die Reisebeschränkungen, die Deutschland und andere Länder im Kampf gegen die Corona-Krise erlassen haben, bedrohen die Existenz vieler Obst- und Gemüsebauern. Laut Landesregierung fehlen in NRW 45.000 Erntehelfer. Aus Polen und Rumänien kommen kaum noch Leute. Und wenn doch, haben sie eine Odyssee hinter sich. „Das geht an die Nerven“, sagt Willi Feiser. Tausende Euro hat er gezahlt, um zumindest 20 Kräfte nach Deutschland zu holen, am Donnerstag kamen elf mit einem der letzten Flieger. Feiser hat Annoncen geschaltet und sucht auch über das Internet. Auf Plattformen wie www.daslandhilft.de können sich Freiwillige für solche Jobs bewerben.

Feisers Telefon steht nicht still, auch weil er Termine mit Interessenten hat. Jeden Tag führt er Vorstellungsgespräche im Schnelldurchlauf. „Mehr als 30 haben sich gemeldet, zwölf haben aber schon wieder abgesagt“, sagt der 63-Jährige. „In den Gesprächen lassen viele offen, wie lange sie kommen können. Einige sagen, dass sie sofort weg sind, wenn ihr Chef ruft. Ich brauche aber zuverlässige Leute, die nicht nur zwei oder drei Tage kommen, sondern länger.“

Der Landwirt will auf seinem Hof jeden willkommen heißen, sagt er. „Studenten, Asylbewerber, Arbeitslose, Kurzarbeiter – das ist mir egal. Sie müssen nur wollen.“ Die Verdienstaussichten: Mindestlohn. Nach einem Punktesystem gibt es zudem Prämien für besonders fleißige Helfer, so Feiser.

Das Maßnahmen-Paket, das die Bundesregierung zur Unterstützung bäuerlicher Betriebe geschnürt hat, kommt den Helfern entgegen. Wer als Student beispielsweise BAföG in Anspruch nimmt, muss nicht fürchten, dass sein Spargelstecher-Lohn angerechnet wird. Auch Arbeitnehmer, die in Kurzarbeit sind, können sich etwas dazuverdienen, ohne dass es berücksichtigt wird – vorausgesetzt, der Saisonarbeiter-Lohn übersteigt nicht das übliches Nettoeinkommen. Ausländische Saisonkräfte, die bereits in Deutschland sind, können nun 115 statt 70 Tage sozialversicherungsfrei arbeiten.

Und es wird diskutiert, Asylbewerber auf die Felder zu schicken. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) hat vorgeschlagen, Asylbewerber auch dann arbeiten zu lassen, wenn sie keine Arbeitserlaubnis haben. Hierzu verhandelt sie mit Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) über eine Regelung. Der Chef der Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl, Günter Burkhardt, fordert, abgelehnte Flüchtlinge und Asylbewerber einzubeziehen. Man habe versucht, diese „mit Arbeitsverboten aus dem Land zu ekeln“, sagte Burkhardt dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Da man die Menschen aktuell nicht abschieben könne, schon weil es keine Flüge gebe, müsse man die Restriktionen aussetzen.

Spargelstechen und Erdbeerpflücken ist harte Arbeit. Trotzdem hofft Willi Feiser, bis nächste Woche noch Helfer zu finden. „Spargelstechen kann man in wenigen Tage lernen“, sagt er. Wenn er nicht genug Erntehelfer bekommt, muss er Teile der Felder stehen lassen für die Vögel und andere Tiere. „Ich bin seit 35 Jahren im Geschäft, aber so etwas habe ich noch nie erlebt.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort