Corona-Lage im Herbst und Winter Wir brauchen kostenlose Tests für Geimpfte und Genesene

Meinung | Berlin · Die Corona-Pandemie ist noch einmal mit Macht zurückgekommen. Doch die Verantwortlichen wollen das nicht wahrhaben. Was eine neue Teststrategie und ein Schub bei den Drittimpfungen leisten kann.

 Passanten stehen in der Münchner Innenstadt vor einer Apotheke, die Coronatests für 15 Euro anbietet. In Zeiten schnell steigender Inzidenzen könnten unentgeltliche Tests für Geimpfte und Genesene die Verbreitung des Virus bremsen.

Passanten stehen in der Münchner Innenstadt vor einer Apotheke, die Coronatests für 15 Euro anbietet. In Zeiten schnell steigender Inzidenzen könnten unentgeltliche Tests für Geimpfte und Genesene die Verbreitung des Virus bremsen.

Foto: dpa/Peter Kneffel

Die Experten haben diesmal recht behalten. Die Zahl der Neuinfektionen geht seit Mitte Oktober wieder durch die Decke. Seit Montag liegt der Inzidenzwert bundesweit bei über 150. In Bundesländern wie Sachsen und Thüringen ist die Zahl der wöchentlichen Ansteckungen je 100.000 Einwohnern auf Werte zwischen 280 und 300 geklettert. Es herrscht wieder Corona-Alarm in Deutschland, auch wenn das von den Verantwortlichen kaum jemand wahrhaben will.

Die Gefahr geht von mehreren Seiten aus. Noch immer sind selbst bei den Über-60-Jährigen rund dreieinhalb Millionen Menschen nicht geimpft. Manche können wegen allergischer Reaktionen nicht immunisiert werden, die weitaus größere Zahl unter ihnen will es offensichtlich nicht. Noch schlimmer ist es bei den 18- bis 59-Jähigen, bei denen nur 33 von 45 Millionen Personen geimpft sind. Die Ungeimpften, man muss es leider sagen, sind derzeit die stärksten Überträger des Virus. Allerdings stecken sich vermehrt auch Geimpfte und Genesene an und tragen zum Anstieg der Fälle bei. Die Impfung gewährt keinen vollständigen Schutz vor Weitergabe des Virus. Die 2G-Strategie, also nur die Menschen zu Massenansammlungen und Veranstaltungen zuzulassen, die einen Impf- oder Immunisierungsschutz haben, stößt an ihre Grenzen.

Was ist zu tun? Da der Impfschutz bei den Älteren wegen der frühen Impftermine nachlässt, muss die Drittimpfung beschleunigt werden. Dazu reichen die bisherigen Maßnahmen aus, die Menschen haben oft selbst ein Interesse an einem besseren Schutz. Weiterhin sollen sich gerade Ältere gut überlegen, ob sie an Veranstaltungen mit Zehntausenden von Menschen, selbst wenn sie über einen Impfschutz verfügen, unbedingt teilnehmen wollen. Die Tatsache, dass die Politik solche Events erlaubt, heißt nicht, dass sie völlig harmlos sind. Weil die Behörden nur noch Maskenpflicht, Abstandsgebot und ein Hygienekonzept verlangen, ist jeder Einzelne wieder stärker gefragt, sich selbst und andere zu schützen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass dies meistens gelingt, weil die Menschen vernünftiger sind als oftmals vermutet.

Will aber die Politik auf schärfere Maßnahmen wie Lockdowns oder Beschränkungen von Großereignissen verzichten, muss sie zumindest an anderer Stelle mehr Engagement zeigen. So ist es falsch, keinerlei kostenlose Tests für Freizeitvergnügen mehr zu übernehmen. Vor dem Besuch von Alten- und Pflegeheimen sind sie immerhin noch möglich. Besser wäre es, auch bei anderen Gelegenheiten diejenigen zu belohnen, die sich impfen lassen. Sie sollten die Möglichkeit haben, gegen Vorlage des Impfausweises einen Gratis-Test zu erhalten. Das hilft ihnen und anderen. Denn wenn etwa eine Astrazeneca-Doppelimpfung nur noch zu 50 Prozent schützt, wie jüngste Studien ergeben haben, können Menschen auch mit Immun-Schutz nicht völlig sorgenfrei sein. Um eine Verbreitung des Virus zu behindern, wären unentgeltliche Tests in solchen Fällen hilfreich. Bei größeren Veranstaltungen sollten sie auch für Geimpfte und Genesene zur Pflicht werden.

Vermutlich dürfte die Pandemie im Frühjahr des kommenden Jahres auslaufen. Davor müssen wir uns noch einmal zusammenreißen und vorsichtig sein. Das gilt in Zeiten eines Regierungsübergangs auch für die politisch Verantwortlichen.

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