Apotheken: Schnelltests werden knapp Testpflicht: Kinderärzte drohen mit Schließung

Düsseldorf · Laut Infektionsschutzgesetz müssen Kinderärzte ab sofort die begleitenden Eltern testen. Doch Schnelltests sind überall knapp und die Kinderärzte drohen mit Schließung.

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Die Kinderarzt-Praxen erleben seit Wochen einen Ansturm von kleinen Patienten, die unter Infektionen leiden, gar mit dem RS-Virus infiziert sind oder gegen Corona geimpft werden wollen. Nun macht die Ampel-Koalition Familien und Praxen das Leben noch schwerer: Seit Mittwoch müssen alle Personen, die eine Praxis betreten, getestet werden – unabhängig von ihrem Impfstatus. Ausnahmen gelten nur für Patienten selbst. Christiane Thiele, Chefin des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) Nordrhein, ist entsetzt: „Wenn Eltern nur noch getestet in die Praxis dürfen, sind das täglich über 100 Personen. Das bedeutet, dass für Behandlung und Versorgung der Kinder keine Zeit mehr bleibt.“ Nun drohen die Praxen mit Schließung: „Für Kinder- und Jugendärzte stellt sich nur die Wahl, das neue Gesetz bewusst zu ignorieren, oder die Praxen noch diese Woche zu schließen und die Nachbesserung der Regelung abzuwarten“, so der Verband.

Zugleich gibt es Streit über die Auslegung. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) schreibt: „In Praxen müssen Arbeitgeber, Beschäftigte und Besucher ab Mittwoch einen tagesaktuellen Antigentest vorlegen – unabhängig davon, ob sie geimpft oder genesen sind. Dies schreibt das geänderte Infektionsschutzgesetz vor.“ Doch die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KV) lehnt sich auf: „Wir vertreten die Auffassung, dass Eltern und sonstige Begleitpersonen bei einem Kinderarzt-Besuch keine Besucher im Sinne der Vorschrift sind, weil sie erforderlich für den Arztbesuch sind.“ Daher fielen Eltern auch nicht unter die Test-Regel. Die KV verweist auf entsprechende Rechtsauskünfte.

Die KBV wartet nun auf Klärung: „Mehrere Länder haben bereits erklärt, dass sie das nicht so umsetzen werden. Wir gehen davon aus, dass diese sehr kurzfristige, von der Politik erlassene Regelung bezüglich der Tests nicht umgesetzt wird.“ Kinderärztin Thiele kritisiert die KBV: „Die Kinderärzte fühlen sich im Stich gelassen. Warum hat die KBV nicht interveniert und warum informiert sie die Praxen so spät? Die KBV macht Politik für alte Menschen und ihre Ärzte, Kinder und Kinderarztpraxen spielen kaum eine Rolle.“

Alle Praxen kämpfen zudem gegen die Pflicht, nun täglich ihr Personal testen zu müssen. „Unsinnig ist es auch, dass wir das Personal nun jeden Tag testen sollen, selbst wenn Mitarbeiter voll geimpft und geboostert sind. Zwei Tests pro Woche werden bezahlt, für den Rest muss der Arbeitgeber aufkommen“, so Thiele weiter. Und Schnelltests sind knapp, wie auch die KV bestätigt. „Ich habe noch 60 Tests in meiner Praxis. Das reicht gerade, um das Personal eine Woche lang zu impfen. Und Tests zu bekommen, ist schwer“, sagt Thiele.

Das kann Thomas Preis, Chef des Apothekerverbands Nordrhein, bestätigen: „Mit dem neuen Infektionsschutzgesetz ist die Nachfrage nach kostenlosen Bürgertests und nach Selbsttests in den Apotheken explodiert.“ Sowohl die Lieferung von Schnelltests für Laien wie für die professionelle Anwender stocke. Teilweise seien auch Apotheken betroffen, die Lieferzeiten würden von Tag zu Tag länger. Preis erläutert die Gründe: Im Sommer habe man fälschlicherweise geglaubt, die Pandemie sei überwunden. Zudem hängen nun die Lieferungen fest: „Lieferungen aus China kämpfen jetzt um die Slots auf Flugzeugen. Ist die Ware in Deutschland, erweist sich der Zoll als weitere Hürde. Große Mengen an Coronatests warten auf die Freigabe durch den Zoll.“ Preis erwartet noch lange Probleme: „Jetzt wird es noch einige Wochen dauern, bis wir sicher wissen, ob die erhöhte Nachfrage nach Tests bedient werden kann.“

Die Vertreter der Kinderärzte sind vor allem sauer auf die Ampel-Koalition, die das neue Infektionsschutzgesetz verantwortet. „Es scheint, dass Politik gar nicht mehr versucht, Gesetze auf die Anwendbarkeit in der Praxis zu prüfen“, sagt Thiele. Ihr Kollege aus Westfalen, Marcus Heidemann, ergänzte: „Wo Herr Spahn mit Rationierungen von benötigten Impfstoffen aufgehört hat, will die neue Koalition mit medizinisch unsinnigen Testungen anscheinend nahtlos weiter machen.“

Am Donnerstag kam dann die Volte, der Protest der Kinderärzte wirkt: Die Testpflicht für Begleitpersonen wird gekippt. Eltern gelten nicht mehr als Besucher der Praxen, die jedes Mal getestet werden müssen. Stattdessen werden sie den Patienten gleichgesetzt, die von der Pflicht ausgenommen sind, wie aus einer Anweisung des NRW-Gesundheitsministeriums hervorgeht. Kinderärzte hatten mit Schließung gedroht, wenn es bei der Regelung bleibt. Zudem wird für alle Praxen die Testpflicht für geimpftes und genesenes Personal gelockert. Die Gesundheitsminister einigten sich darauf, den täglichen Abstrich auszusetzen. Zwei Tests pro Woche seien genug. NRW verwies darauf, dass Testmaterial nicht lieferbar sei.

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