Bundesweit sinkende Corona-Zahlen Diesmal ist der Inzidenz-Rückgang wohl echt

Meinung · Die Feiertage verzerrten in der Vergangenheit oft die wahre Höhe der Sieben-Tage-Inzidenzen in Deutschland. Das ist jetzt nicht mehr so stark der Fall – dank der Schnelltests.

 Gäste sitzen im Außenbereich eines Restaurants in Berlin (Symbolfoto).

Gäste sitzen im Außenbereich eines Restaurants in Berlin (Symbolfoto).

Foto: dpa/Annette Riedl

Die Freude über schnell fallende Corona-Infektionszahlen hat Politiker und Bürger zu Beginn des Jahres in einer falschen Sicherheit gewogen. Tatsächlich wurden die Inzidenzen, also die Zahl der wöchentlichen Neufälle pro 100.000 Einwohner, durch die Feiertage zum Jahreswechsel verzerrt und wegen der geringen Zahl der Tests als zu niedrig ausgewiesen. Darauf hat das Robert-Koch-Institut (RKI) stets hingewiesen, aber hören wollte es so recht niemand. Als dann die ansteckendere, erstmals in Großbritannien aufgetretene Virus-Variante B.1.1.7 sich auch auf dem Kontinent breitmachte, war es zu spät. Die Inzidenzen erreichten schnell hohe Werte, dem Krankenhaussystem drohte die Überlastung. Kurz vor Ostern drohte der Politik, die Sache zu entgleiten. Nur ein harter, bundesweiter Lockdown konnte die Zahlen wieder stabilisieren.

Nun gehen die Fallzahlen abermals in den Keller. Und mit Christi Himmelfahrt und Pfingsten sind wieder jede Menge Feiertage da, die den Rückgang als zu stark ausweisen könnten. Stärker jedenfalls als dem tatsächlichen Infektionsgeschehen entspricht. Doch die gute Nachricht lautet, diesmal dürften die Dinge anders liegen. Denn der Drang der Menschen, wieder ein Restaurant zu besuchen oder sich mal länger im gerade geöffneten Laden umzusehen, hat die Nachfrage nach Schnelltests weit nach oben getrieben. Und positive Tests müssen sofort an die Labore gemeldet werden, die ihrerseits über die Gesundheitsämter das RKI benachrichtigen. „Die Schnelltests mögen einen Beitrag geleistet haben, indem seit ihrer großflächigen Anwendung die Dunkelziffer gesunken ist“, meint der Mathematiker Jan Fuhrmann, der für das Forschungszentrum Jülich regelmäßig Modellrechnungen über die Verbreitung des Virus anstellt. Damit geben weniger Infizierte das Virus weiter, die es nicht wissen.

Die Verzerrung der Zahlen durch die Feiertage ist deshalb nicht so gravierend wie in der Vergangenheit. Einen weiteren Hinweis auf die Echtheit der Inzidenzzahlen liefert der Reproduktionswert. Er zeigt an, wie viele Menschen in einer Woche durch bereits Infizierte angesteckt werden. Am Donnerstag lag der R-Wert bei 0,71. Das heißt, 100 Menschen mit dem Virus geben den Erreger an 70 neue Personen weiter. Damit läuft die Verbreitung des Coronavirus aus. Der Wert halbiert die Fallzahlen alle zwei Wochen. Deshalb sind die niedrigen Inzidenzen der jüngsten Zeit im Einklang mit den Prognosen. Wir können also alle ein wenig entspannen und uns auf die Öffnung von Restaurants, Läden, Theater und Freizeiteinrichtungen freuen. Nur weiterhin vorsichtig sollten wir sein. Die Pandemie ist noch längst nicht vorüber, selbst wenn das Impftempo weiterhin hoch bleibt.

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