Impfstart bei den Hausärzten „Das war seit 20 Jahren der schlimmste Tag in meiner Praxis“

Lindlar · Seit diesem Dienstag dürfen auch Hausärzte ihre Patienten gegen Corona impfen. Für viele Mediziner gehen die damit verbundenen Formalien aber an der Realität vorbei. Der Ärger ist groß.

 Ein Hausarzt impft einen Patienten.

Ein Hausarzt impft einen Patienten.

Foto: dpa/Christoph Schmidt

Für Hausarzt Thomas Aßmann aus Lindlar verlief der Start in die nächste Phase der Corona-Impfkampagne am Dienstag mehr als holprig. „Das war seit 20 Jahren der schlimmste Tag in meiner Praxis“, sagte der Mediziner. Und das, obwohl er noch keine einzige Dosis Impfstoff erhalten habe. Doch neben dem nachfeiertäglich erhöhten Patientenaufkommen galt es laut Aßmann zahllose Fragen rund ums Impfen zu beantworten und das bevorstehende Impfprozedere in der Praxis zu organisieren. Zudem habe das Telefon nicht mehr stillgestanden. „Meine Mitarbeiter sind am Ende, die wartenden Patienten knubbeln sich auf der Straße“, sagte Aßmann.

Wie in Lindlar sind in vielen Hausarztpraxen in NRW die Vorbereitungen für die ersten Impfungen angelaufen. Mit den Präparaten von Biontech/Pfizer sollten zunächst chronisch Kranke geimpft werden, berichtete der Hausärzteverband Nordrhein. Das Einbeziehen der Hausärzte soll der bisher stockend verlaufenen Impfkampagne einen deutlichen Schub geben. Das Gros der rund 11.000 Hausärzte in NRW werde sich wohl nach und nach daran beteiligen, heißt es. Bis Ende April sollen bundesweit rund drei Millionen Impfdosen über die Hausärzte verimpft werden. Verbandssprecherin Monika Baaken kritisierte aber, dass der bürokratische Aufwand für die Ärzte deutlich zu hoch sei. Zudem seien viele Patienten bezüglich des Impfstoffs von Astrazeneca verunsichert, was eine intensivere Beratung erfordere. „Es ist ärgerlich, dass den Ärzten solche Knüppel zwischen die Beine geschmissen werden“, sagte Baaken.

Kerstin Westerwalbesloh und Erich Richard Arens, die gemeinsam eine Hausarztpraxis in Monheim betreiben, hadern ebenfalls mit der Bürokratie. „Das geht völlig an der Realität vorbei“, sagte Arens. Statt es so einfach wie bei der Grippeimpfung zu halten, müsste jeder Vorgang nun seitenweise dokumentiert werden. In Großbritannien reiche dafür eine scheckkartengroße Pappkarte aus. Zudem sei es extrem schwierig, die Impfungen zu planen, da erst donnerstags feststehe, wie viel Impfstoff die Praxis überhaupt bekomme, sagt Westerwalbesloh. Danach gelte es, die Patienten zu informieren und zu terminieren. „Nebenher müssen wir noch unseren normalen Betrieb aufrechterhalten“, erklärt die Medizinerin. Zugleich gelte es permanent Patienten zu vertrösten, weil diese noch nicht an der Reihe seien. Arens: „Eigentlich möchte ich aber die Diskussion, wer zuerst drankommt, gar nicht führen müssen. Besser wäre es, den Prozess zu vereinfachen und zu impfen, wie die Patienten kommen.“

Auch die Aufklärung der Menschen müsse simpler ablaufen, fordern die Mediziner. Erstens sei jeder, der eine Impfung haben wolle, grundsätzlich willig, diese auch in Anspruch zu nehmen; zudem sei jeder mittlerweile ausreichend vorinformiert. Hausarzt Aßmann sieht das ebenso. Er hätte von etlichen Kollegen gehört, dass sie sich aufgrund des bürokratischen Aufwands nicht an der Impfkampagne beteiligen wollen. „Wir werden zwar nicht mehr Weltmeister im Impfen, dafür aber bestimmt im Organisieren“, sagte Aßmann.

Nicht bei der Impfkampagne dabei sind die Privatarztpraxen. Dabei handele es sich um eine Entscheidung des Bundesgesundheitsministeriums, erklärte ein Sprecher von NRW-Minister Karl-Josef Laumann (CDU). Grund sei die derzeitige Impfstoffknappheit. Beliefert würden zunächst die Vertragsärzte von Apotheken. „Sobald größere Impfstoffmengen zur Verfügung stehen, sollen auch Privatärzte in die Impfkampagne einbezogen werden“, so der Sprecher. Für NRW bestehe keine rechtliche Möglichkeit, von der Regelung des Bundes abzuweichen.

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