Nur noch Booster? Markt für Corona-Impfstoffe wird enger

New York · Weltweit sind rund fünf Milliarden Menschen geimpft. Das heißt: Für die Impfstoffhersteller wird der Markt damit sehr viel wettbewerbsintensiver und kleiner. Im Fokus dürften künftig andere Auffrischimpfungen oder Impfungen von kleineren Kindern stehen.

In den Industrienationen sind die meisten Menschen, die sich gegen Covid-19 impfen lassen wollten, inzwischen geimpft.

Foto: AP/Ted S. Warren

Eineinhalb Jahre nach dem Start der ersten Impfungen steht der Corona-Impfstoffmarkt vor einem Kurswechsel. Zumindest in den Industrienationen sind die meisten Menschen, die sich gegen Covid-19 impfen lassen wollten, inzwischen geimpft. Weltweit sind es rund fünf Milliarden. Für die Impfstoffhersteller, die in den vergangenen Monaten unter Hochdruck produzierten, wird der Markt damit sehr viel wettbewerbsintensiver und kleiner. Denn im Fokus dürften künftig Auffrischimpfungen stehen oder Impfungen von kleineren Kindern, für die bislang noch kein Vakzin auf dem Markt ist. Biotech-Analyst Hartaj Singh von Oppenheimer rechnet mit einem harten Wettbewerb: „Die Unternehmen werden um Preise und Marktanteile kämpfen, selbst bei Impfstoffen, die als die Besten gelten, wie Pfizer und Moderna.“

Noch ist aber völlig offen, wieviele Booster-Impfungen letztlich gebraucht werden. Bisher wird eine zweite Auffrischimpfungen nur in einigen Ländern für Menschen mit dem Risiko eines schweren Verlaufs oder in bestimmten Berufsgruppen empfohlen. Ebenso ist noch ungewiss, ob die Hersteller in diesem Herbst und in jedem darauffolgenden angepasste Impfungen verkaufen werden – wie etwa die Anbieter von Grippeimpfstoffen – und welche Auswirkungen das auf die Nachfrage haben könnte.

Hersteller wie der US-Pharmakonzern Pfizer, der mit der Mainzer Biontech zusammenarbeitet, und der US-Biotechkonzern Moderna gehen gleichwohl davon aus, auch künftig eine wichtige Rolle auf dem Impfstoffmarkt zu spielen – selbst wenn die Gesamtnachfrage sinkt. Erwachsene, die jetzt noch nicht geimpft seien, werden sich aber über zwei Jahre nach Pandemiebeginn auch künftig wohl nicht impfen lassen, wie Pfizer-Chef Albert Bourla kürzlich in einem Interview sagte. Vielmehr seien es die „bereits Geimpften“, die für Nachfrage sorgen dürften.

Nach Einschätzung von Moderna-Chef Stephane Bancel profitieren vor allem Menschen über 50 und Erwachsene mit gesundheitlichen Risiken oder risikoreichen Berufen, wie Mitarbeiter im Gesundheitswesen, von einem jährlichen Booster. Bancel schätzt diese Bevölkerungsgruppe auf rund 1,7 Milliarden Menschen – gut ein Fünftel der Weltbevölkerung. Sowohl Pfizer/Biontech als auch Moderna entwickeln Impfstoffe, die an die hochansteckende Omikron-Variante angepasst sind. Pfizer und Biontech erwarten dazu Daten in den kommenden Wochen.

Konkurrenz hinkt hinterher

Klar ist schon jetzt, dass die Megaumsätze des vergangenen Jahres außer Reichweite sind. Analysten prognostizieren für die Impfung von Pfizer/Biontech einen Umsatz von über 17 Milliarden Dollar im Jahr 2023 und für die von Moderna von zehn Milliarden Dollar – etwa die Hälfte der für dieses Jahr erwarteten Einnahmen. Sie gehen davon aus, dass die Umsätze von da an weiter sinken werden. Noch sehr viel kleiner dürfte das Geschäft für die weniger beliebten Impfstoffe von AstraZeneca und Johnson & Johnson werden, die wegen des Risikos seltener Blutgerinnsel in die Schlagzeilen geraten waren.

J&J wollte sich nicht dazu äußern, ob das Unternehmen seine Impfung im Herbst als Booster vertreiben will. Der Arzneimittelhersteller hatte im April wegen unsicherer Geschäftsaussichten die Umsatzprognose für seinen Impfstoff über 3,5 Milliarden Dollar zurückgenommen. Das Vakzin war einst als Hoffnungsträger vor allem für den afrikanischen Kontinent gehandelt worden, da von ihm ursprünglich eine Dosis ausreichen sollte und es einfacher zu transportieren und zu lagern ist, als die mRNA-Impfstoffe von Biontech und Moderna.

Doch diese Hoffnungen erfüllten sich nicht. Das südafrikanische Pharmaunternehmen Aspen Pharmacare, das im März einen Vertrag zur Herstellung des Impfstoffs von J&J in Afrika abgeschlossen hatte, warnte erst vor wenigen Tagen vor schwacher Nachfrage auf dem Kontinent. Bislang habe Aspen nicht einen einzigen Auftrag erhalten und werde etwa die Hälfte seiner Produktionskapazitäten für den Impfstoff auf andere Produkte umstellen, wenn die Nachfrage nicht innerhalb von sechs Wochen anziehe. In Afrika ist der akute Mangel an Covid-19-Impfstoffen inzwischen einem Überangebot an Dosen gewichen, da die Spenden an die Impfallianz Covax zugenommen haben und die Impfkampagnen der afrikanischen Länder damit nicht Schritt halten können.

AstraZeneca-Chef Pascal Soriot sieht die Impfung seines Unternehmens noch nicht aus dem Rennen. Er glaubt, dass sie weiter eine Rolle bei der Bekämpfung der Pandemie spielen wird. „Dieser Impfstoff hat immer noch Potenzial, da er sehr einfach zu verabreichen und zu verteilen ist“, sagte er. „Der Absatz wird aber künftig geringer sein, da die Menschen wahrscheinlich nur eine Auffrischimpfung pro Jahr benötigen werden und sie nicht jeder nehmen wird.“

(jus/Reuters)