Corona-Hotspot Madrid Fiesta mit Vollgas

Madrid · In der spanischen Hauptstadt Madrid liegt die Sieben-Tage-Inzidenz mittlerweile bei 1400. Von Corona-Restriktionen will die Regionalregierung weiter nichts wissen. Doch nicht alle sehen das so entspannt.

 Eine Menschenmenge begrüßt an der Puerta del Sol in Madrid das neue Jahr – hier tragen viele keine Maske.

Eine Menschenmenge begrüßt an der Puerta del Sol in Madrid das neue Jahr – hier tragen viele keine Maske.

Foto: dpa/Manu Fernandez

In den meisten europäischen Hauptstädten wurden die öffentlichen Silvesterfeiern wegen der Omikron-Viruswelle abgesagt. Nur in der spanischen Metropole Madrid nicht, die zu Spaniens Corona-Hotspots gehört. In Madrid knallten die Korken, und Tausende Menschen begrüßten ausgelassen das neue Jahr. Ohne nennenswerte Beschränkungen: kein 2G, kein 3G, aber viele immerhin mit Maske.

Schon seit Monaten fällt die spanische Hauptstadtregion nicht durch strenge Regeln, sondern durch eine sehr laxe Corona-Politik auf. Ganz nach dem Motto: Wir feiern uns durch die Pandemie. Restaurants und Kneipen in Madrid sind brechend voll. In Fußballstadien, Konzerthallen, Theaterhäusern und Kinos sind alle Plätze besetzt. Das Nachtleben pulsiert bis in den frühen Morgen. Impfnachweise und Gesundheitszertifikate sind für niemanden erforderlich.

Wie das? Vor allem dank Madrids regionaler Regierungschefin Isabel Ayuso, die dafür eintritt, dass „die Freiheit, mit den Freunden ein Bier zu trinken“, auch in Pandemiezeiten das wichtigste Bürgerrecht ist. In Madrid explodieren derweil die Neuansteckungszahlen. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag zuletzt bei 1400 Infektionen pro 100.000 Einwohner. Doch Ayuso sieht keinen Grund zur Beunruhigung und will an ihrem Kurs festhalten: „Keine Schließungen, keine Verbote. Restriktionen bringen nichts.“

Ausgehen und Fiesta mit Vollgas – das ging eine Zeit lang gut. Madrid vertraute auf seine Impfquote von 78 Prozent. Doch nun macht sich in der Bevölkerung Katerstimmung breit. Ein Omikron-Tsunami überrollt die Millionenstadt. Und breitet sich zugleich in ganz Spanien aus, obwohl das Land eigentlich zu Europas Impfchampions gehörte. Spaniens nationale Inzidenz übersprang bereits den Rekordwert von 1200, alle 24 Stunden werden mehr als 100.000 neue Infektionen regis­triert. Omikron ist landesweit die dominante Variante.

Die Beschäftigten des Madrider Gesundheitssektors wissen nicht, wie sie der Lage Herr werden sollen. Zwar sind bisher nur 20 Prozent der Intensivbetten mit Corona-Patienten belegt. Aber dafür stehen die lokalen Gesundheitszentren schon wieder vor dem Kollaps. Es mangelt an Personal und Testkapazitäten. Kontaktverfolgung existiert nicht. „Wir werden den Löwen zum Fraß vorgeworfen“, klagt der Madrider Mediziner César Carballo.

Andere Regionen in Spanien sehen Omikron nicht ganz so gelassen. Etwa die kanarische Ferieninsel Teneriffa, die ähnlich heftig getroffen wurde. Auf Teneriffa liegt die Sieben-Tage-Inzidenz inzwischen ebenfalls bei 1400. Doch dort trat die Inselregierung auf die Bremse und führte für die Gastronomie nun die 3G-Regel ein. Auch auf der Mittelmeerinsel Mallorca, wo die Sieben-Tage-Inzidenz auf den Wert von 900 zusteuert, wurden inzwischen 3G-Regeln angeordnet.

Spaniens Omikron-Welle mit Hunderttausenden von Arbeitnehmern in Quarantäne bringt zunehmend das nationale Wirtschaftssystem in Gefahr. Deswegen beschloss Spaniens Gesundheitskonferenz, in der die Vertreter der Staats- und der Regionalregierungen sitzen, die Quarantänezeit von symptomfreien Virusträgern pauschal auf sieben Tage zu verkürzen. Für das Ende der Quarantäne ist kein negativer Test notwendig.

Diese generelle Verkürzung der Quarantäne ist eine Entscheidung, die von vielen spanischen Virologen als riskant bezeichnet wird. Aber Regierungschef Pedro Sánchez verteidigte den Beschluss: „Wir müssen den Ausgleich finden zwischen öffentlicher Gesundheit und den Wirtschaftsinteressen.“

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