Umgang mit der Herbstwelle Der Corona-Herbst wird anstrengend – mal wieder

Meinung | Düsseldorf · Maskenpflicht oder doch nur -empfehlung? Boosterimpfung ja oder nein? Halloween und Karneval feiern oder doch besser absagen? Altbekannte Fragen sorgen für neue Verunsicherung, es fehlt an klaren Linien. Und nicht immer ist Eigenverantwortung das wahre Motiv von Entscheidungen.

Corona NRW: Diese Regeln gelten im Herbst 2022
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Diese Corona-Regeln gelten in NRW

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Foto: dpa/Arne Dedert

Dass es in Sachen Corona einen besonders langen Atem braucht, scheint so zynisch wie wahr. Der nunmehr dritte Pandemie-Winter steht bevor, und er wird, so formuliert es der Charité-Impfstoffforscher Leif Sander auf Twitter: „anscheinend echt anstrengend“. Grund sind aus medizinischer Sicht die steigenden Fallzahlen der BA5-Herbstwelle, die derzeit die Hospitalisierungsrate anwachsen lassen und auch an zentralen Stellen im Gesundheitssystem für Personalengpässe sorgen. Die zu befürchtenden Sublinien der Omikron-Variante, gegen die Impfstoffe womöglich weniger wirken, sind dabei noch nicht berücksichtigt.

Vor allem aber gesellschaftlich könnten die kommenden Wochen und Monate so herausfordernd wie nie werden. Ob zur Frage des Masketragens oder der Debatte um Zusammenkünfte aller Art, es zeichnet sich erneut eine Lagerbildung ab – sofern sie sich zwischenzeitlich überhaupt je aufgelöst hatte. Die „Spaßfraktion“ auf der einen, die „Angsthasen-Mentalität“ auf der anderen Seite, so jedenfalls betiteln sich die Gegner und Befürworter der Anti-Corona-Maßnahmen jeweils, stehen sich gegenüber. Doch welcher Maßnahmen eigentlich?

Die großen, dicken Leitlinien gibt es kaum noch. Wegweisend ist das Gesamtbild jedenfalls nicht: In Fernzügen gilt bundesweit nun die Pflicht zum Tragen einer FFP2-Maske, in Flugzeugen ist gar keine Maske vonnöten und im öffentlichen Nahverkehr kann jedes Bundesland selbst entscheiden – in Nordrhein-Westfalen etwa ist eine OP-Maske ausreichend. Während Masken in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen überall Pflicht bleiben, gehen die politischen Meinungen bei Innenräumen anderer Art völlig auseinander: Während Berlin Masken in öffentlichen Gebäuden wieder vorschreiben will, hat CSU-Chef Markus Söder das für Bayern gerade erst wieder ausgeschlossen – und sich zufrieden über das „gelungene“ Oktoberfest gezeigt, trotz explodierender Infektionszahlen in München und Bayern.

Worte, die Wissenschaftler und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) so gar nicht passen dürften angesichts seiner neuen Impfkampagne, mit der er die Booster-Quoten voranbringen will. Zusammen mit dem verbesserten Pandemie-Radar (Statistiken und Abwasser-Screening), neuen wirksamen Medikamenten (etwa Pavloxid) und dem Infektionsschutzgesetz bedingtem Spielraum für die Länder sieht er Deutschland gut auf den Winter vorbereitet. Doch die Möglichkeiten werden längst nicht alle ausschöpfen, so viel zeichnet sich am Beispiel Söder ab. Auch in NRW gibt es zum Schulstart nach den Herbstferien lediglich eine Empfehlung, Masken in Klassenräumen zu tragen. Von einer generellen Pflicht in Innenräumen sieht NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) ab, zumindest aktuell. Das Infektionsschutzgesetz sehe dies nur vor, wenn sich die Lage in Krankenhäusern und Schulen zuspitze, sagte er am Montag im WDR 2, das sei derzeit nicht der Fall. Bleibt zu hoffen, dass die schwarz-grüne Landesregierung ihr Versprechen vom Präsenzunterricht so auf Dauer halten kann.

Bleibt die Frage des Privatvergnügens, das längst Teil öffentlichen Diskurses geworden ist. Halloween feiern oder den Karnevalsauftakt am 11. November? Das bleibt letztlich jedem selbst überlassen. Auch jedem Gastwirt. Wenn eine prestigeträchtige Brauerei wie das Düsseldorfer Füchschen nun auch mit Verweis auf die Pandemie Veranstaltungen absagt, kann das als Appell verstanden werden. Genügend Party-Alternativen in der Altstadt gibt es trotzdem. Und so wie sich manche Gastronomen um Entscheidungen winden, Gäste nicht verprellen wollen oder schlicht unter finanziellem Druck stehen, windet sich auch die Politik um klare Linien für den Corona-Winter. Das mit dem Label freiheitliche Eigenverantwortung zu versehen, ist einfach. Ob es wirksam ist, oder die Coronapandemie zum Langzeitproblem mutiert, wird sich zeigen.

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