Lehre aus Zeiten der Spanischen Grippe Virologe Drosten warnt vor wuchtiger zweiter Welle

Berlin · Die ersten Lockerungen der Corona-Beschränkungen erfolgten am Montag, doch eine Rückkehr in die Normalität liegt in weiter Ferne. Nun warnt der Virologe Christian Drosten vor einer erneuten Infektionswelle, die die Epidemie mit Wucht vorantreiben werde.

 Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie an der Charité in Berlin.

Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie an der Charité in Berlin.

Foto: dpa/Christophe Gateau

Der Berliner Virologe Christian Drosten hat sich besorgt über möglicherweise bisher unbemerkte Effekte bei der Ausbreitung des Coronavirus geäußert. Noch zeigten sich verschleppte einzelne Fälle - zum Beispiel durch Reisen, Besuche oder Treffen aus Ausnahme-Gründen - nicht in den Zahlen, sagte Drosten am Montag im NDR-Podcast. Neben dem örtlichen Phänomen rechne er noch mit einem anderen Effekt: einer stärkeren Betroffenheit von älteren Altersgruppen, etwa Infektionsketten unter 65- oder 70-Jährigen, „weil man sich eben doch im Freundeskreis hier und da noch mal weiter trifft“ oder weil Großeltern eben doch besucht würden. „Ich erwarte, dass es zu diesen Effekten kommt. Das sind Diffusionseffekte, die fast zwangsläufig sind“, sagte der Charité-Experte.

Wenn die sogenannte Reproduktionszahl nach Lockerung der Maßnahmen wieder über 1 kommen sollte - also ein Infizierter wieder mehr als einen anderen Menschen ansteckt -, könne die Epidemietätigkeit in nicht erwarteter Wucht wieder losgehen, sagte Drosten. Schon Ende vergangener Woche hatte er angesichts von Erkenntnissen aus der Spanischen Grippe vor der Gefahr einer zweiten Welle gewarnt, die nicht mehr nur an einzelnen Orten losrollt.

Drosten betonte auch, dass die Zahl der Infizierten in der Charité in Berlin seit Wochen zunehme. In den Intensivstationen werde es immer ein bisschen voller. Das sei ein Effekt, der ihn sorgenvoll stimme. Als Erkenntnis aus einer Studie mit epidemiologischen Modellierungen sagte der Virologe, dass Patienten am Tag vor Beginn der Symptome am stärksten infektiös seien. Die überwiegende Infektionstätigkeit sei dann nach vier Tagen mit Symptomen vorbei. Aktuelle Entwicklungen zur Corona-Krise in unserem Liveblog.

(ala/dpa)
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