Corona-Maßnahmen Debatte um 2G geht weiter – Mehrheit bei Gastronomie und Veranstaltungen dafür

Berlin/Düsseldorf/Mönchengladbach · Die Debatte um die sogenannte 2G-Regel geht weiter: Laut einer aktuellen Umfrage findet es eine Mehrheit der Menschen in Deutschland richtig, wenn nur gegen das Coronavirus Geimpfte und davon Genesene ins Restaurant gehen oder Veranstaltungen besuchen dürfen. Doch das Kanzleramt ist bislang zurückhaltend.

 Ein Hinweis auf die 2G-Regel hängt im Fenster einer Kiez-Kneipe in Hamburg.

Ein Hinweis auf die 2G-Regel hängt im Fenster einer Kiez-Kneipe in Hamburg.

Foto: dpa/Markus Scholz

Eine Mehrheit der Menschen in Deutschland findet es richtig, wenn nur gegen das Coronavirus Geimpfte und davon Genesene (2G) ins Restaurant gehen oder Veranstaltungen besuchen dürfen. In einer Insa-Umfrage im Auftrag der „Bild am Sonntag“ äußerten sich 57 Prozent dahingehend. 33 Prozent halten es für falsch, wenn Gastronomie und Veranstaltungen nur noch Geimpften und Genesenen offen stehen. Von den Befürwortern wünschen sich 66 Prozent, dass 2G-Regeln verpflichtend eingeführt werden, 31 Prozent meinen, dass die Einführung jedem Gastronom oder Veranstalter überlassen werden sollte. Das Meinungsforschungsinstitut Insa befragte für die „Bild am Sonntag“ 1002 Menschen am 17. September.

Aus Sicht von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) müssen Impfunwillige Einschränkungen in Kauf nehmen. Jedem müsse klar sein, dass er nicht nur eine Verantwortung gegenüber sich selbst, sondern auch gegenüber anderen trage, sagte Schäuble dem Berliner „Tagesspiegel“ (Sonntag). „Und da muss am Ende jeder, der sich nicht impfen lässt, weil er nicht überzeugt ist, mit möglichen Konsequenzen und Beschränkungen der eigenen Freiheit leben.“

Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) hat sich derweil gegen eine bundesweite Ausdehnung der sogenannten 2G-Regeln ohne Not ausgesprochen. „Die von einigen Bundesländern nun in manchen Bereichen ermöglichte 2G-Regelung finde ich richtig, wenn dort 3G nicht ausreicht, um Infektionen zu vermeiden“, sagte Braun der Nachrichtenagentur Reuters. „Aber ich bin nicht für eine flächendeckende Einführung von 2G, wenn dies nicht aufgrund einer drohenden Überlastung des Gesundheitswesens erforderlich ist.“

Auch in Kostenpflichtiger Inhalt Nordrhein-Westfalen wird intensiv über 2G diskutiert. Die Landesregierung schließt nicht aus, dass auch NRW eine 2G-Regel einführt. Die aktuelle Corona-Schutzverordnung gilt hier bis zum 8. Oktober. Kommunen haben damit schon jetzt die Option, 2G einzuführen. In Münster sorgte allerdings trotz 2G eine Party für Aufsehen, . SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sieht den Fall aber eher als ein Argument für 2G: „Ohne 2G wären viel mehr Partybesucher schwer erkrankt“, teilte er kürzlich mit. An diesem Wochenende äußerte sich Lauterbach zum Thema 2G auch noch einmal in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ). Wenn bundesweit eine Impfquote von 85 Prozent in der erwachsenen Bevölkerung erreicht werde, dann sei es „gut möglich“, dass man auf die 2G-Regel verzichten könne, sagte Lauterbach.

Wie sehr das Thema auch hier in der Region polarisiert, Kostenpflichtiger Inhalt haben wir am Beispiel Mönchengladbach aufgeschrieben. Die Stadt Düsseldorf führt derweil für ihre Veranstaltungen vom 1. Oktober an die 2G-Regel ein. Zu städtischen Veranstaltungen haben dann nur noch Geimpfte oder Genesene Zutritt, ein negativer Corona-Test reicht nicht aus. Vom 1. November an soll die Regel auch auf kulturelle Einrichtungen der Stadt ausgeweitet werden, wie eine Sprecherin am Freitag mitteilte. „Der größtmögliche Schutz für uns alle kann nur erreicht werden, wenn wir auf die 2G-Regel setzen, wie es andere Bundesländer bereits tun, und wir würden uns freuen, wenn andere unserem Beispiel folgen würden“, sagte Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU).

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer sprach sich im „Phoenix“-Politik-Podcast „unter 3“ für eine Beibehaltung von der 3G-Regel dort aus, wo der Staat entscheiden kann. „Wir haben keine Impfpflicht, daher muss vom Grundsatz her Teilhabe für Nicht-Geimpfte denkbar sein“, sagte Dreyer. Abhängig von der aktuellen Warnstufe sei man beispielsweise in Rheinland-Pfalz bemüht, bei allem, was von staatlicher Seite komme, die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben auch für Getestete zu ermöglichen. Allerdings könne man „2G in manchen Bereichen gar nicht verhindern, weil jeder private Veranstalter sagen kann, dass er nur noch Geimpfte und Genesene reinlässt“, so Dreyer.

Der Gießener Verfassungsrechtler Steffen Augsberg sieht es derweil kritisch, dass in mehreren Bundesländern der Einzelhandel, Restaurants und Clubs selbst entscheiden sollen, ob sie nur Geimpfte und Genesene (2G) oder zusätzlich negativ Getestete (3G) einlassen wollen. Die Entscheidung über Eingriffe in Bürgerrechte privaten Unternehmen zu übertragen, „das geht so nicht“, sagte Augsberg dem Evangelischen Pressedienst (epd). Da verstecke sich der Staat hinter den Privatunternehmen und übertrage diesen die Verantwortung für eine gesamtgesellschaftlich wichtige Risikoeinschätzung.

Stattdessen müssten Bundes- und Landesregierungen eine sachliche Risikoanalyse vornehmen, um die Frage zu beantworten, was überhaupt derzeit verhindert werden soll. Wenn einzelne Ungeimpfte das Risiko einer Corona-Ansteckung eingingen, sie die Mehrheit der Geimpften und das Gesundheitssystem aber nicht mehr gefährdeten, dann müsse Ungeimpften diese persönliche Entscheidung zugestanden werden. „Der Staat sollte ja auch nicht regulieren, ob ich mich schlecht ernähren oder durch Sport in Gefahr bringen will“, sagte Augsberg.

Er kritisierte zugleich eine gesellschaftliche Stigmatisierung von Menschen ohne Corona-Impfung. „Da fehlt ein Verständnis dafür, dass es in einer Demokratie auch abweichende, mir selbst vielleicht absurd erscheinende Haltungen geben kann“, sagte Augsberg. „Das macht mir Sorgen.“

(hebu/dpa/epd/Reuters)
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