Streit um Auskunftspflicht Darf der Chef den Impfstatus abfragen?

Berlin/Düsseldorf · Arbeitgeber wollen ein Auskunftsrecht, um den Betriebsalltag zu organisieren. Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft ist dafür. Gewerkschaften lehnen das ab.

 Impfen während der Arbeitszeit: Bei Thyssenkrupp ist das möglich.

Impfen während der Arbeitszeit: Bei Thyssenkrupp ist das möglich.

Foto: dpa/Roland Weihrauch

Die Pandemie hat Deutschland weiter im Griff. Nun sucht die Wirtschaft nach Wegen, um den Betriebsalltag zu organisieren. Doch die Gewerkschaften pochen auf den Datenschutz.

Was wollen die Arbeitgeber? Der Präsident der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände, Rainer Dulger, fordert: „Betriebe brauchen jetzt eine klare Ansage, dass sie den Impfstatus ihrer Beschäftigten erfragen dürfen, um die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit aller ihrer Mitarbeiter sicherzustellen.“ Doch die neue Arbeitsschutzverordnung verbiete es de facto, den Impfstatus abzufragen: „Das ist kontraproduktiv und verhindert die notwendige Klarheit, die die Betriebe jetzt brauchen.“ Auch der Energiekonzern RWE hofft auf Klarheit: „Wir begrüßen es, dass sich die Politik mit der Frage beschäftigt. In vielen Bereichen des öffentlichen Lebens, etwa beim Restaurantbesuch, bringt der Impfnachweis gewisse Erleichterung und höhere Sicherheit mit sich.“ Auch im Sinne der Mitarbeiter seien klare rechtliche Rahmenbedingungen notwendig, wobei datenschutz- und arbeitsrechtliche Fragen zu klären seien.

Was sieht die Verordnung vor? Am Mittwoch will das Kabinett über die Arbeitsschutzverordnung von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) entscheiden, bei der die Auskunftspflicht formal keine Rolle spielt. Stattdessen schreibt sie fest, dass Impfungen während der Arbeitszeit möglich sind. „Wir wollen, dass die Beschäftigten bei der Wahrnehmung von Impfangeboten unterstützt werden: durch gezielte Information und betriebliche Impfangebote. Zudem wollen wir, dass Beschäftigte freigestellt werden, um sich impfen zu lassen“, sagte Heil unserer Redaktion. „Wir verlängern außerdem die Verpflichtung der Arbeitgeber, zwei Mal die Woche einen kostenlosen Test anzubieten.“

Wie kann eine gesetzliche Grundlage aussehen? Das Arbeitsministerium sieht Jens Spahn (CDU) in der Verantwortung, das über das Infektionsschutzgesetz zu regeln. „Die Frage, ob Arbeitgeber das Recht bekommen sollen, den Impfstatus ihrer Mitarbeiter zu erfahren, muss der dafür zuständige Bundesgesundheitsminister mit einem sauberen Rechtsvorschlag klären“, sagte Heil. Im Infektionsschutzgesetz ist etwa festgelegt, dass sich Lehrer und Kita-Erzieher gegen Masern impfen müssen. Spahn sagte in der Sendung „Hart aber fair“, er sei hin- und hergerissen, ob man das Gesetz ändern solle, damit Arbeitgeber zumindest für die nächsten sechs Monate fragen dürften. Er tendiere „zunehmend zu ja“.

Was fürchten Gewerkschaften? Sie lehnen eine Auskunftspflicht ab. „Nach aktueller Rechtslage ist eine Auskunftspflicht zum Impfstatus weder für Arbeitnehmende noch für Beamtinnen und Beamte zu begründen“, sagte der Vorsitzende des Deutschen Beamtenbunds, Ulrich Silberbach, unserer Redaktion. „Freiwilligkeit ist hier bisher zwingend. Wenn das geändert werden soll, müsste dafür zunächst einmal eine verfassungsfeste gesetzliche Grundlage geschaffen werden.“ Ähnlich äußerte sich der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB): „Die Information, ob jemand geimpft ist, unterliegt wie alle anderen Gesundheitsdaten der Beschäftigten dem Datenschutz. Sie hat Arbeitgeber nicht zu interessieren“, sagte DGB-Vorstand Anja Piel.

Was haben Betriebe von der Impfauskunft? Sie könnten den Betriebsalltag besser organisieren. Die Lufthansa fragt ihre Crews schon jetzt bei manchen Auslandseinsätzen nach dem Impfstatus. Die Mitarbeiter müssen zwar nicht antworten, können dann aber auf bestimmten Strecken nicht fliegen. So lassen manche Länder nur geimpfte Crews ins Land oder haben das vor. Dazu zählen etwa Hongkong und Aserbaidschan. Auch für die Organisation des Büroalltags kann die Frage wichtig sein. Der Reiseveranstalter Alltours etwa will Geimpften und Genesenen Freiheiten zurückgeben und für sie die Kantine öffnen. Chemiekonzerne wollen Mitarbeiter aus dem Homeoffice holen. Sie könnten Abstandsregeln entschärfen, wenn nur Geimpfte zusammensitzen. Das gilt auch in Hamburger Kneipen und Kinos, die sie sich für das 2G-Modell entscheiden.

Was ist mit dem Datenschutz? Grundsätzlich gehen die Gesundheitsdaten der Mitarbeiter den Arbeitgeber nichts an. Er darf auch nicht nach der Diagnose bei einer Krankschreibung fragen. „Eine pauschale Abfrage des Impfstatus von Beschäftigten fände ich nicht gut“, sagte die Datenschutzbeauftragte von NRW, Bettina Gayk. Sie könne sich dies aber bei manchen Konstellationen vorstellen. „Möglicherweise ist das für Personal sinnvoll, dass ständig zusammenarbeitet.“ Dafür sei aber eine rechtliche Grundlage nötig. „Darin muss klar sein, in welchen Fällen das passieren soll.“

Was gilt in Praxen und Krankenhäusern? Hier wäre es besonders wichtig, dass das Personal sich impfen lässt, um sich und die Patienten zu schützen. Der Chef der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, wies Kritik von Patientenschützern zurück und betonte, dass es eine solche Auskunftspflicht  bereits gebe:  „Im Unterschied zu anderen Branchen gibt es für Einrichtungen des Gesundheitswesens bereits seit 2016 die Möglichkeit der Arbeitgeber, den Impfstatus ihrer Beschäftigten zu erfassen.“ So sehe es §23a des Infektionsschutzgesetz vor. „Die diesbezüglich gerade laufende Diskussion betrifft die Kliniken also nicht“, sagte Gaß unserer Redaktion. Patientenschützer Eugen Brysch hatte dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ gesagt: „Die Offenbarungspflicht für das gesamte Personal in der Altenpflege und im Krankenhaus muss kommen." Zugleich unterstützte DKG-Chef Gaß die Forderung nach einer Auskunfts-Pflicht in anderen Branchen: „Grundsätzlich teilen wir die Einschätzung, dass das Wissen um den Impfstatus eine wichtige Information für die Arbeitgeber sein kann, um dem Infektionsschutz am Arbeitsplatz gezielt Rechnung tragen zu können. Der Arbeitgeber sollte wissen, ob er ein Risiko eingeht, wenn zum Beispiel in Großraumbüros gearbeitet wird, oder Besprechungen auch in Präsenz stattfinden.“ Zugleich ergänzte Gaß: „Die Impfquoten in den Krankenhäusern liegen ganz überwiegend auf einem Niveau zwischen 80 und 90 Prozent.“ Echte Impfverweigerer sind eher selten anzutreffen.

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