Grenzkontrollen ab Sonntag Kanzlerin Merkel warnt vor dritter Corona-Welle

Berlin · Bundeskanzlerin Angela Merkel ist besorgt wegen der Ausbreitung neuer Virusvarianten und mahnt zur Vorischt. Ab Sonntag gilt ein Beförderungsstopp aus Nachbarstaaten.

 Bundeskanzlerin Angela Merkel (Archivfoto).

Bundeskanzlerin Angela Merkel (Archivfoto).

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Wegen der grassierenden Verbreitung der Coronavirus-Mutanten in mehreren angrenzenden Staaten verschärfte Deutschland die Regeln für die Einreise und ordnete teils stationäre Grenzkontrollen an. Ab Sonntag dürfen keine Reisenden aus Tschechien, Tirol in Österreich und der Slowakei mehr nach Deutschland befördert werden.

Kostenpflichtiger Inhalt Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte am Freitag in einem ZDF-Interview: „Es hängt jetzt von uns und klugen Öffnungsschritten ab, ob wir ohne eine groß ausgeprägte dritte Welle durch die Pandemie kommen - oder ob wir zu unvorsichtig sind und dann doch vielleicht wieder steigende Fallzahlen haben.“ Die von den Ländern geplanten Öffnungen von Schulen und Kitas seien „ein gewagter Schritt“. Sie sehe die große Bedeutung dieser Bereiche aber auch ein. Wenn zum 1. März dann auch Friseure wieder öffnen könnten, sei dies schon „ein Mehr an Kontakten, das man beobachten muss“.

Merkel erläuterte, warum das Erreichen der von Bund und Ländern vereinbarten Marke von 35 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen kein Freibrief für Lockerungen in großem Stil wäre. Die 35 seien „eine Vorsichtszahl“ für erste Schutzmaßnahmen. Wenn man sie unterschreite, dürfe man auch wieder an größere Öffnungsschritte denken. Aber nach einem Öffnungsschritt solle 14 Tage gewartet werden bis zum nächsten Schritt. Erst ohne erneuten Anstieg der Fälle „kann man den nächsten Schritt gehen“.

Geplant ist, dass in Deutschland der Einzelhandel wieder in den Regionen öffnet, in denen der Wert die 35 unterschritten hat. Keine Öffnungstermine gibt es bisher noch für Schulen in höheren Jahrgängen, Berufsschulen und Unis, Kinos, Theater, für den Gruppensport sowie für Restaurants, Gaststätten und Hotels. „Dann müssen wir politisch entscheiden, welche Öffnungsschritte aus welchem Strang wollen wir jetzt als nächste“, kündigte Merkel an.

Nach Tschechien und Tirol stufte die Bundesregierung die Slowakei als Gebiet mit besonders gefährlichen Virusmutationen ein. Das heißt, dass Fluggesellschaften sowie Bus und Bahnunternehmen keine Passagiere mehr aus diesen Ländern nach Deutschland befördern dürfen. Ausgenommen davon sind deutsche Staatsbürger und in Deutschland lebende Ausländer.

Schon jetzt würden in Bayern bei deutlich mehr als zehn Prozent der Infizierten Mutanten festgestellt - mehr als doppelt so viel wie insgesamt in Deutschland, sagte der Münchner Infektiologe Clemens Wendtner. Er warnte vor allem vor einem Einschleppen der gefährlichen südafrikanischen Coronavirus-Variante aus Tirol. „Die ist nach bisherigem Wissen noch einmal gefährlicher als die britische Variante“, sagte Wendtner der Deutschen Presse-Agentur. Sie sei infektiöser, wohl tödlicher und resistenter gegen Impfstoffe. Auch wer schon Corona hatte, könne sich wahrscheinlich erneut anstecken.

Die britische Variante hat wiederum in einigen ostbayerischen Regionen bei Pendlern aus Tschechien bereits die Oberhand gewonnen. Der Anteil der Mutanten an den positiven Fällen liegt dort laut Wendtner teilweise schon bei über 40 Prozent.

Bereits heute haben sich die hochansteckenden Corona-Varianten nach Einschätzung der Behörden weiter ausgebreitet als bisher bekannt. „Ich gehe von einem Anstieg aus, ganz klar“, sagte der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, am Freitag in Berlin. In der kommenden Woche würden neue Daten dazu vorgelegt. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erläuterte, warum die Virusvarianten den Behörden trotz sinkender Infektionszahlen solche Sorgen bereiten: „Die Zahl der Neuinfektionen geht zurück, aber der Anteil (der Varianten) steigt“, sagte er. „Besser jetzt noch eine Weile durchhalten, als Rückschläge zu riskieren.“

Wieler forderte: „Wir müssen die Ausbreitung der Varianten zumindest verlangsamen. Wir müssen verhindern, dass neue besorgniserregende Varianten entstehen.“ Die Lage auf den Intensivstationen sei noch immer angespannt. „Leider sterben immer noch sehr viele Menschen im Zusammenhang mit Covid-19.“ Bisher sind es bundesweit über 64 000.

Maskentragen, Kontaktreduktionen, Hygiene und Lüften - das sei das, was helfe. Wieler rief die Menschen nachdrücklich dazu auf. Gegen Corona geimpft sind mittlerweile - rund sechs Wochen nach dem Impfstart - 3 Prozent der Menschen in Deutschland, davon 1,5 Prozent auch mit der nötigen Zweitimpfung. 5,7 Millionen Impfdosen wurden demnach ausgeliefert. Bis Ende nächster Woche sollen es 8 Millionen sein. Merkel räumte „eine Enttäuschung“ zum Start der Impfkampagne ein. Vielleicht habe dies auch damit zu tun, dass „wir nicht ausreichend darauf hingewiesen haben, dass am Anfang nicht für jeden gleich der Impfstoff da ist“.

Spahn will Sanktionen gegen Menschen prüfen, die sich bei Impfungen gegen den Erreger Sars-CoV-2 unrechtmäßig vordrängeln. Denn in mindestens neun Bundesländern wurden bereits Menschen gegen das Coronavirus geimpft, die noch gar nicht an der Reihe waren. Das ergab eine Recherche der Deutschen Presse-Agentur. Dabei kamen etwa Kommunalpolitiker, Geistliche sowie Feuerwehrleute und Polizisten zum Zuge, obwohl sie nicht der ersten Prioritätsgruppe angehören.

(ahar/dpa)
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