Debatte um Chimären Warum mit Embryonen aus Affe und Mensch eine Grenze überschritten wurde

Analyse | Kunming · Können Tiere eines Tages als Ersatzteillager für menschliche Organe dienen? Dieses Ziel verfolgt die Forschung seit Jahren. Nun haben chinesische Forscher erstmals Embryonen aus Zellen von Mensch und Affe gezüchtet. Ein Experiment, das ethische Fragen aufwirft.

 Wissenschaftler haben erstmals Embryonen aus Zellen von Affe und Mensche erzeigt.

Wissenschaftler haben erstmals Embryonen aus Zellen von Affe und Mensche erzeigt.

Foto: dpa/Weizhi Ji

Mischwesen sind in der Natur nicht vorgesehen. Sie sind die große und ungewollte Ausnahme. Die Wissenschaft versucht sich seit Jahren an der künstlichen Konstruktion solcher Chimären. Nun haben Forscher erstmals Embryonen aus Zellen von Affen und Menschen geschaffen. Zwar beendeten sie das Labor-Experiment nach Entwicklung der  ersten Zellstadien. Dennoch wurde mit diesen Versuchen eine neue Grenze überschritten – technisch und ethisch.

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Was wurde gemacht?

Ein internationales Forscherteam um Tao Tan von der Kunming University of Science and Technology in China kultivierte unter Laborbedingungen befruchtete Eizellen von Makaken. Im Entwicklungsstadium der Blastozyste – das ist der erste Zellhaufen, der aus einer befruchteten Eizelle entsteht – fügten sie menschliche Stammzellen hinzu. Diese Zellen sind omnipotent, das bedeutet, sie können sich zu allen möglichen Zelltypen ausdifferenzieren. Aus ihnen kann theoretisch genauso gut eine Hautzelle werden wie eine Muskelzelle. Um die Zellen in ihrer weiteren Entwicklung und auch ihre Kommunikation untereinander beobachten zu können, markierten sie die menschlichen Zellen mit einem fluoreszierenden Stoff. Über ihre Experimente berichten sie im Fachmagazin „Cell“.

Wie entwickelten sich die Mischformen?

Die Forscher setzten die Chimären-Zellen nicht in eine Affen-Gebärmutter ein, sondern beobachteten die Entwicklung weiter in der Kulturschale. Im Verlauf der Studie nahm die Überlebensrate der Embryonen stark ab. An Tag zehn lebten noch 103 Affe-Mensch-Embryonen von ursprünglich 132. An Tag 19 waren es nur noch drei.  Nur bei einem Teil der Chimären entwickelten sich die menschlichen Zellen überhaupt weiter. Immerhin: An Tag 13, dann ist in etwa das (Gastrula)-Stadium erreicht, in dem sich der Embryo normalerweise in die Gebärmutter einnistet, waren rund acht Prozent der Embryo-Zellen menschlichen Ursprungs. Generell wuchsen die Chimären etwas langsamer als zur Kontrolle parallel gezüchtete Nicht-Chimären. Außerdem beobachteten die Forscher, dass die menschlichen Zellen dazu neigten, eigene Gruppen zu formen und sich von den Affenzellen zu separieren. Es bildete sich also kein wild gemischter Zellhaufen. Ausgereifte Lebewesen gingen aus den Embryo-Chimären nicht hervor.

Was ist das Besondere an diesem Experiment?

Erstmals haben Forscher Embryo-Chimären aus derart eng verwandten Zelllinien geschaffen. Makaken gehören wie der Mensch evolutionsbiologisch zur Ordnung der Primaten. Ähnliche Experimente scheiterten meist deutlich früher, vermutlich weil die bisher gemischten Spezies aufgrund ihrer Evolution verwandtschaftlich deutlich weiter voneinander entfernt und die Artbarrieren somit weitaus höher waren. Der aktuelle Versuch war nach Aussage der Forscher der bisher erfolgreichste dieser Art. Die zweite Besonderheit ist, das diesmal die menschlichen Stammzellen dem tierischen Empfänger in einem sehr frühen Embryonalstadium eingepflanzt wurden.

Warum sind Chimären ein beliebtes Forschungsfeld

Die Kombination von Zellen verschiedener Tier-Arten, aber auch Versuche mit Tier und Mensch beschäftigt Wissenschaftler seit Jahrzehnten. Bereits in den 70-er Jahren gab es Versuche mit Mischformen aus Mäusen und Ratten. Auch mit Zellen vom Mensch und Schwein oder Kuh wurde bereits experimentiert. Mäusen und Meerkatzen haben Forscher sogar schon menschliche Zellen ins Gehirn gepflanzt. Die behandelten Mäuse zeigten sich später deutlich lernfähiger als ihre unbehandelten Artgenossen. Auch Chimären aus verschiedenen Affenarten gibt es bereits.

Welches sind die Ziele solcher Experimente?

Wissenschaftler führen als Ziel solcher Chimären-Forschung häufig medizinische Fragestellungen an. Endziel ist die Anzucht menschlicher Organe in Tieren, etwa für dringend nötige Transplantationen. Versuche in diese Richtung gibt es bereits. Aber auch die Entwicklung von Medikamenten oder die nähere Erforschung von Krankheiten könnte durch Chimären mit menschlichem Anteil besser erforscht werden. Kurzfristiger lassen sich vor allem neue Erkenntnisse zur Entwicklungsbiologie und Evolution gewinnen.

Wie sind ethische Aspekte zu bewerten?

Denkt man solche Versuche zu Ende, könnten Mischwesen entstehen, bei denen nicht mehr klar ist, ob sie Tier oder Mensch sind. Derartige Forschungen an Chimären aus Mensch und Affe sind daher höchst umstritten und in vielen Ländern verboten. Auch der deutsche Ethikrat hat bereits 2011 gefordert „dass Versuche der Erzeugung von transgenen Menschenaffen wegen der nahen Verwandtschaft zu Menschen untersagt werden sollten“.  Allerdings wäre ein solches Experiment wie das der chinesischen Forscher in Deutschland nach aktueller Rechtslage nicht verboten, denn: Erstens wurden keine menschlichen Embryonen verwendet (Embryonenschutzgesetz), sondern Affen-Blastozysten. Und zweitens stammen die zugeführten menschlichen Stammzellen nicht aus Embryonen (Stammzellgesetz).

Die Forscher selbst haben betont, dass ihr Haupt-Augenmerk bei dieser Versuchsreihe in der Erforschung der Interaktionen zwischen den Chimären-Zellen lag.  Ganz bewusst haben sie ihre Mensch-Affe-Embryonen nicht in einen Uterus verpflanzt. Und: Sie haben das Experiment an Tag 19 gezielt beendet. Aus ethischen Gründen, sagen sie.

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