Viele Verstöße gegen Auflagen Tausende demonstrieren bundesweit gegen Corona-Maßnahmen

Berlin · Tausende Menschen haben am Samstag in mehreren Großstädten gegen die von der Politik verhängten Corona-Maßnahmen demonstriert. Nach Polizeiangaben gab es dabei zahlreiche Verstöße gegen die Auflagen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie.

 Auf dem Rossmarkt in Frankfurt kam es zu Rangeleien zwischen Polizei und Teilnehmern einer Demonstration.

Auf dem Rossmarkt in Frankfurt kam es zu Rangeleien zwischen Polizei und Teilnehmern einer Demonstration.

Foto: dpa/Boris Roessler

In Stuttgart war bereits kurz nach Beginn der Kundgebung am Nachmittag die genehmigte Zahl von 5000 Teilnehmern erreicht.

Den weiter zum Kundgebungsort strömenden Demonstranten wurde eine zweite Versammlungsfläche zugewiesen. Die Kundgebung in der baden-württembergischen Landeshauptstadt war ursprünglich für eine halbe Million Teilnehmer angemeldet gewesen. Die Stadt begrenzte die Teilnehmerzahl jedoch auf 5000.

Verstöße gegen die Maskenpflicht wurden mit 300 Euro Bußgeld geahndet. Die eingesetzten 500 Ordner mussten Mund-Nasen-Schutz tragen. Der Veranstalter hatte am Freitag beim Stuttgarter Verwaltungsgericht einen Eilantrag gegen die Auflagen eingelegt, die das Gericht am Abend ablehnte.

Die Initiative „Querdenken 711“ hatte auf dem Cannstatter Wasen die „8. Mahnwache Grundgesetz“ organisiert. „Querdenken“-Initiator Michael Ballweg kündigte an, beim Bundesverfassungsgericht gegen die Einschränkungen zu klagen. Die Initiative will mit den Demonstrationen nach eigenen Angaben gegen Einschränkungen durch die Corona-Verordnung protestieren. Dabei gehe es unter anderem um Persönliche Freiheitsrechte (Artikel 2), die Glaubens- und Gewissensfreiheit (Artikel 4) und die Versammlungsfreiheit (Artikel 8).

Die „Querdenken“-Organisator fordern Neuwahlen noch in diesem Herbst, weil „alle Parteien ihren Parteiprogramm an die neue Lage anpassen“ und den Bürgern darstellen müssten, mit welchen Lebensumständen in der Sonderlage Pandemie zu rechnen sei.

Auch in München wollten deutlich mehr Menschen als die zugelassenen 1000 auf die Theresienwiese. Die Polizei teilte am Nachmittag mit, es "stehen mehrere hundert Schaulustige entlang des Absperrbands" an der Theresienwiese. Der Mindestabstand von 1,5 Metern werde "deutlich unterschritten", schrieb die Polizei über den Kurzbotschaftendienst Twitter. Rund um die Theresienwiese würden Platzverweise erteilt. Gegen Menschen, "die sich nicht entfernen, schreiten wir konsequent ein", so die Münchner Polizei.

Rund 1500 Menschen sind nach Polizeiangaben am Samstagnachmittag in Frankfurt am Main als Demonstranten gegen die Corona-Kontaktbeschränkungen und als Gegendemonstranten aufeinandergetroffen. Nach Augenzeugenberichten und Polizeiangaben trafen sich Gruppen in zwei- bis dreistelliger Größe an verschiedenen Plätzen der Innenstadt, so vor der Alten Oper, an der Hauptwache und am Rossmarkt, und wechselten ständig die Orte. Bis zum Spätnachmittag habe es keine Handgreiflichkeiten gegeben, eine Person sei wegen des Zeigens des Hitlergrußes am Goetheplatz festgenommen worden.

Vor der Alten Oper kamen nach Schätzungen von Polizei und Augenzeugen bis zu 500 Personen unterschiedlicher Lager zusammen. Transparente zeigten Parolen wie „Die Würde des Menschen ist das höchste Gut, nicht seine Gesundheit“, „Fernseher aus, Gehirn an“, „Gegen Lügen helfen keine Masken“ oder „Impf-Spahn stoppen“. Gegner brüllten: „Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda“, die andere Seite: „Es gibt kein Recht auf Antifa-Geschwafel“. Polizisten versuchten die Gruppen zu trennen und zu begleiten.

Am Roßmarkt trafen nach Polizeiangaben zur Spitzenzeit bis zu 600 Personen zusammen. Linke Demonstranten störten laut Augenzeugen eine Ansprache gegen die Kontaktbeschränkungen mit Trommeln und Rufen. Gegner der Kontaktbeschränkungen hätten eher keinen Mundschutz getragen, linke Gegendemonstranten seien eher vermummt gewesen. Der vorgeschriebene Abstand zum Nachbarn sei häufig nicht eingehalten worden.

Auch in anderen Städten fanden Kundgebungen statt, etwa in Berlin, Nürnberg, Leipzig und Bremen. Die Polizei in Nürnberg meldete mehrere Veranstaltungen, die bis zum Nachmittag störungsfrei verlaufen seien.

Im Zusammenhang mit einer Kundgebung gegen die Corona-Maßnahmen ist in Halle in Sachsen-Anhalt ein Kamerateam des ZDF nach Angaben der Polizei bedrängt worden. Das Team habe in der Nähe eines Wagens der Demonstranten Aufnahmen machen wollen, dann sei es zu verbalen Attacken gegen die Journalisten gekommen, sagte ein Polizeisprecher. Die Polizei sei dazwischen gegangen, um eine weitere Eskalation zu verhindern. Das ZDF-Team habe später unter Polizeischutz freiwillig den Marktplatz verlassen. Verletzt wurde demnach niemand.

Im Rahmen der Veranstaltung wurden zudem zwei Körperverletzungsdelikte angezeigt und drei Anzeigen wegen Beleidigung aufgenommen. Auf dem Marktplatz gab es den Angaben zufolge auch Gegenproteste. Zudem hat eine Gruppe von 18 Personen einen Platzverweis bekommen. Der Großteil dieser zum Teil stark alkoholisierten Menschen gehört laut Polizei zum Fanspektrum des Halleschen FC.

Seit mehreren Wochen gibt es in Deutschland Proteste gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Dabei werden auch verschwörungstheoretische, politisch extreme und esoterische Positionen vertreten. So sind etwa militante Impfgegner und Rechtsextreme dabei. Dies sowie die Verbreitung von Verschwörungstheorien und Falschinformationen zur Corona-Pandemie im Internet werden zunehmend mit Sorge beobachtet.

Das Bundeskriminalamt teilte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" mit, es gebe Hinweise, dass Rechtsradikale versuchten, die Proteste für sich zu nutzen.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte der Zeitung, viele Menschen seien derzeit in Sorge um "ihre Existenz". Es gelte daher, schnell zu handeln, damit die Menschen "ihren Lebensunterhalt sichern können". Damit werde auch verhindert, "dass Rechtsradikale und Verschwörungstheoretiker den Ton setzen". Seehofer betonte aber zugleich das Versammlungs-, das Demonstrationsrecht und Recht auf freie Meinungsäußerung.

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak warnte in der Zeitung, wenn Demonstrationen "von Extremisten unterwandert und missbraucht werden, gefährdet das unsere Gesellschaft". Verschwörungstheorien und Falschmeldungen seien "Brandbeschleuniger". Die demokratische Mitte müsse "dagegenhalten".

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte dem Blatt, es besorge sie zutiefst, "wenn Teile diesen legitimen demokratischen Protest kapern, um ihre rechte, antisemitische und verschwörungsideologische Agenda voranzutreiben". NRW-SPD-Chef Sebastian Hartmann sprach von einem "strategischen Vorgehen" Rechtsradikaler, das nicht verharmlost werden dürfe.

(felt/AFP/dpa/epd)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort