Öffnung in Stufen Ruf nach Rückkehr von Handel und Gastronomie wird immer lauter

Berlin · Der Einzelhandel dringt auf eine rasche Beendigung des Lockdown ab dem 8. März. Auch viele Gastronomen wollen im Gleichschritt mit den Händlern öffnen. Der Städtetag mahnt dagegem zur Vorsicht.

 Teilnehmer einer Protestaktion von Gewerbetreibenden gegen die Corona-Maßnahmen.

Teilnehmer einer Protestaktion von Gewerbetreibenden gegen die Corona-Maßnahmen.

Foto: dpa/Robert Michael

Der Ruf nach einem Ende des Lockdowns für den Einzelhandel und die Gastronomie wird immer lauter. Der Handelsverband Deutschland forderte am Donnerstag eine rasche Öffnung der Einzelhandelsgeschäfte ab dem 8. März. „Wir brauchen jetzt den Einstieg in den Ausstieg aus dem Lockdown“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE), Stefan Genth, in Berlin.

Mehr als 100 im „Gastgeberkreis“ zusammengeschlossen Gastronomen forderten unterdessen in einem Brandbrief, „dass die Restaurants parallel mit dem Einzelhandel wieder öffnen und für ihre Gäste da sein dürfen“. Der Deutsche Städtetag sieht dagegen „noch keinen Spielraum“ für eine umfassende Öffnung.

Der HDE verlangte, Bund und Länder müssten auf der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz am 3. März eine transparente, verbindliche und evidenzbasierte Öffnungsstrategie mit konkreten Maßnahmen beschließen. Die Wiedereröffnung der Innenstädte dürfe dabei nicht vom Erreichen einer Inzidenz von 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern in 7 Tagen abhängig gemacht werden. „Es muss mehr geben als „Geschlossen“ bis 35“, verlangte Genth.

Der HDE-Hauptgeschäftsführer plädierte für eine „Wiedereröffnung in Stufen“. Bei höheren Inzidenzen könnten strengere Vorgaben für Kundenzahl und Hygiene gelten, die dann bei sinkenden Infektionszahlen gelockert würden.

Die Lage im Handel sei dramatisch betonte Genth unter Berufung auf eine aktuelle Umfrage des Verbandes unter mehr als 2000 Händlern. Mindestens 50.000 Unternehmen seien akut in Insolvenzgefahr und jeder weitere Tag des Lockdown werde diese Zahl erhöhen. Rund 250.000 Jobs seien akut gefährdet. Eine Ursache dafür liege in den nach wie vor oft zu bürokratischen und zu langsamen staatlichen Hilfen. Inzwischen plant der HDE-Umfrage zufolge mehr als ein Viertel der Bekleidungshändler, gegen die Schließung des eigenen Geschäfts vor Gericht zu ziehen.

Der Chef der größten deutschen Buchhandelskette Thalia, Michael Busch, betonte: „Es gibt keine Argument gegen die Öffnung des Handels.“ Er sei kein Infektionshotspot. Das beweise jeden Tag der Lebensmittelhandel. Der Chef des Textilhändlers Ernsting's family, Timm Homann, verlangte mit Blick auf den Lockdown: „Diese politische Irrfahrt muss jetzt enden.“

Auch in der Gastronomie wächst die Ungeduld. Die Politik in Deutschland habe das Gastgewerbe bei der Pandemiebekämpfung weit über Gebühr in die Pflicht genommen - und durch administratives Versagen rund um die Auszahlung von Hilfsgeldern an die Grenze des Ruins gebracht, klagten die im Gastgeberkreis zusammengeschlossenen Gastronomen. „Für 2 Millionen Mitarbeiter ist es ein Gebot der Fairness, jetzt wieder starten zu dürfen. Für die Menschen in Deutschland ist es ein wichtiges Signal zurück zur Normalität.“ Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem L'Osteria-Chef Mirko Silz, der Block-House-Chef Stephan von Bülow, Nordsee-Chef Carsten Horn und der TV-Koch Tim Mälzer.

Der Deutsche Städtetag empfahl dagegen einen vorsichtigen Kurs bei den Lockerungen. Sein Präsident Burkhard Jung sagte nach Beratungen mit anderen Stadtoberhäuptern, für umfassende Öffnungen sehe man derzeit noch keinen Spielraum. Doch müsse es Stufenpläne geben, um den coronamüden Menschen Zuversicht zu geben.

Angesichts der angespannten Lage in vielen Innenstädten forderte der Städtetag zusätzliche Finanzhilfen vom Bund im Umfang von einer halben Milliarde Euro jährlich für die Kommunen. Jung betonte, viele Städte machten sich wegen zunehmenden Leerstands große Sorgen. Traditionsreiche Unternehmen machten dicht. Immer mehr Menschen bestellten am Computer und ließen sich die Waren nach Hause liefern. Der Bund müsse sofort ein „Förderprogramm Innenstadt“ auflegen: „Wir stellen uns dabei 500 Millionen Euro jährlich für 5 Jahre vor, um nachhaltig etwas zu erreichen.“

(chal/dpa)
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