Junge, Alte, Lehrer, Polizisten Das müssen Sie jetzt zu Astrazeneca wissen

Düsseldorf · Astrazeneca darf uneingeschränkt nur noch an Menschen über 60 Jahre gegeben werden. Wir geben Antworten, was das bedeutet – für Zweittermine, Lehrer, Erzieher, Polizisten und für die 60- bis 69-Jährigen.

 Astrezeneca-Impfstoff.

Astrezeneca-Impfstoff.

Foto: dpa/Jens Büttner

Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern haben die Astrazeneca-Impfung für Jüngere gestoppt. Nun darf das Vakzin uneingeschränkt nur noch an Menschen über 60 Jahre gegeben werden. Das wirft viele Fragen auf.

Warum dürfen nur die über 60-Jährigen Astrazeneca bekommen?

Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern beschlossen am Dienstagabend, dass das Mittel von Astrazeneca generell nur noch bei über 60-Jährigen eingesetzt werden soll. Sie folgten damit einer neuen Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko). Hintergrund sind weitere Thrombosefälle, die vor allem bei jüngeren Frauen aufgetreten sind.

Wie viele Zwischenfälle gab es?

Laut dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) starben bis Montag neun Menschen in Deutschland nach einer Astrazeneca-Impfung durch eine Sinusvenenthrombose. Insgesamt wurden 31 Fälle eines solchen Blutgerinnsels in Hirnvenen mit zeitlichem Zusammenhang zur Impfung gemeldet. In 19 Fällen wurde zusätzlich ein Mangel an Blutplättchen festgestellt. Bis auf zwei Fälle seien stets Frauen im Alter von 20 bis 63 Jahren betroffen gewesen, die Männer seien 36 und 57 Jahre alt gewesen, so das PEI. Die Thrombosen seien nach der ersten Impfung aufgetreten. Die europäische Arzneiagentur hatte nach einer gründlichen Prüfung im März erklärt, dass es nur einen zeitlichen, aber keinen kausalen Zusammenhang gibt, aber weitere Prüfungen angekündigt. Unter anderem wird geprüft, ob sich Risiken potenzieren, weil auch die Einnahme der Pille als Verhütungsmittel mit einem Thrombose-Risiko verbunden ist.

Was bedeutet der Beschluss für Lehrer, Erzieher und Polizisten, die jünger als 60 sind?

Bei Personen unter 60 Jahren, die zu den Priorisierungsgruppen 1 und 2 gehören (wie etwa Lehrer, Erzieher und Polizisten), kann das Mittel von Astrazeneca weiter eingesetzt werden – aber nur, wenn es zuvor eine sorgfältige ärztliche Beratung gegeben hat. Daher sollen diese Personen nicht mehr im Impfzentrum, sondern beim Hausarzt geimpft werden. Das Hausarzt-Impfen in NRW startet in der Woche nach Ostern, zunächst jedoch nur mit kleinen Mengen.

Was gilt nun für Menschen zwischen 60 und 69?

Dadurch, dass nun eine große Gruppe nicht mehr mit Astrazeneca geimpft werden kann, bleiben viele Dosen ungenutzt. Daher haben die Gesundheitsminister beschlossen, nun die 60- bis 69-Jährigen, die eigentlich erst in der Priorisierungsgruppe 3 sind, vorzeitig in die Impfkampagne einzubeziehen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) warb darum, dass die über 60-Jährigen das Angebot nutzen: „Astrazeneca ist ein sehr wirksamer Impfstoff, auch für Ältere.“

Was heißt das für die Kanzlerin?

Das gilt auch für die 66-jährige Kanzlerin: „Wenn ich dran bin, lasse ich mich impfen, auch mit Astrazeneca. Und nun rückt diese Möglichkeit näher“, sagte Angela Merkel (CDU) nach der Sitzung der Gesundheitsminister.

Ich habe bereits einen Termin im Impfzentrum für eine Erstimpfung mit Astrazeneca. Verfällt der?

Nein. NRW hat bereits reagiert und für die Impfzentren angeordnet, dass sie unter 60-Jährige anders impfen sollen: „Termine, bei denen eine Verimpfung mit Astrazeneca vorgesehen war, werden ab dem 1. April mit Biontech oder Moderna durchgeführt“, erklärte das Landesgesundheitsministerium.

Ich habe schon eine Dosis Astrazeneca bekommen. Was passiert mit der Zweitimpfung?

Bislang haben 2,7 Millionen Menschen eine erste Dosis von Astrazeneca erhalten. Nur wenige haben bereits die zweite Dosis bekommen, sie soll nach zwölf Wochen gegeben werden. Unter 60-Jährige können laut dem Beschluss der Gesundheitsminister nun wählen, ob sie auch die zweite Impfung mit Astrazeneca wünschen oder lieber abwarten wollen. Ende April will die Stiko entscheiden, ob auch ein Wechsel des Impfstoffes möglich ist und die Bürger als erste Dosis Astrazeneca und als zweite Dosis vielleicht Biontech erhalten. Für viele steht erst im April/Mai die zweite Impfung an.

Kann ich es bei einer Impfung belassen?

Das sollte man nicht tun. Zwar bietet auch eine Impfung mit Astrazeneca schon einen gewissen Schutz, doch eben keinen vollständigen. Zudem drohen dann Mutationen zu entstehen, die gegen Impfstoffe resistent sind. Spahn versprach: „Jeder wird den vollen Schutz durch zwei Impfungen erhalten.“ Anders sieht es nur bei dem kommenden Impfstoff von Johnson&Johnson aus, der ohnehin mit einer Dosis auskommt.

Wie groß ist der Schaden für die Impfkampagne? Merkel betonte: „Ich verstehe die Verunsicherung der Menschen.“ Aber das beste Mittel, um Vertrauen zu erhalten, sei Transparenz. „Wir kehren nichts unter den Teppich.“ Die Verunsicherung der Bürger ist auch deshalb besonders groß, weil die Stiko Astrazeneca zunächst sogar nur für Jüngere, also Menschen unter 65 Jahren, empfohlen hatte. Denn der Hersteller hatte nicht genug Ältere in seinen Zulassungsstudien berücksichtigt. Auch Spahn räumte ein, dass die erneute Änderung der Impfempfehlung ein Rückschlag sei. Zugleich sei dies aber auch eine Chance, dass die 60- bis 69-Jährigen früher an die Reihe kommen. Er bekräftigte sein Versprechen, dass bis Ende des Sommers jeder Bürger ein Impfangebot erhalte werden – und schränkte ein: „Außer den Kindern.“ Im zweiten Quartal erwarte der Bund große Lieferungen von dann vier Herstellern. Neben Biontech, Moderna und Astrazeneca wird auch der US-Konzern Johnson&Johnson am Start sein.

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