Unbeliebtes Astrazeneca Tausende Impfdosen bleiben liegen

Düsseldorf · Bundesweit sind erst 16 Prozent der gelieferten Dosen von Astrazeneca verabreicht. Allein in Köln liegen 5000 auf Halde. Ärzte kritisieren Gesundheitsminister Laumann. SPD-Experte Lauterbach fordert, jetzt die unter 65-Jährigen aus allen drei Priorisierungsgruppen einzuladen.

 Impfstoff von Astrazeneca.

Impfstoff von Astrazeneca.

Foto: dpa/Pedro Fiuza

Die Imageprobleme von Astrazeneca bremsen die Impfkampagne weiter aus. Die Bundesländer haben bereits mehr als 1,4 Millionen Dosen des britischen Herstellers erhalten. Doch bis Dienstag wurden nur rund 239.000 Dosen gespritzt, wie das Robert-Koch-Institut mitteilte. Damit sind erst 16 Prozent der verfügbaren Dosen genutzt worden. Allein im Impfzentrum Köln stapeln sich 5000 Dosen, wie der Leitende Impfarzt Jürgen Zastrow unserer Redaktion sagte. Seit dem 5. Februar bekomme Köln täglich 500 Dosen von Astrazeneca geliefert, könne mangels Nachfrage aber nur 120 Dosen täglich verimpfen, „Der Stapel wird von Tag zu Tag größer“, sagte Zastrow.

Die Zahlen widerlegen Ministerpräsident Armin Laschet (CDU). Er hatte noch am Dienstag gesagt: „Astrazeneca wird verimpft. Es gibt in Nordrhein-Westfalen kein Problem. All die Meldungen, die Leute wollten kein Astrazeneca und haben Bedenken, lassen sich für Nordrhein-Westfalen nicht bestätigen.“

Der ungenutzte Impfstoff wird zwar nicht weggeschüttet, sondern für nachrückende Bewerber gelagert. Doch die müssen eingeladen werden. „Das kostet Zeit, die wir im Kampf gegen die Pandemie eigentlich nicht haben“, sagte Zastrow. „Aktuell laden wir Tausende Ärzte und ihre Teams in Köln zur Impfung ein. Das ist möglich, weil laut Infektionsschutzgesetz Multiplikatoren, die mit Covid-Patienten zu tun haben, bevorzugt geimpft werden können. Auch Polizei- und Ordnungskräfte wollen wir einladen.“

Ähnlich sieht es in anderen Städten aus: Münster meldete zu Beginn der vergangenen Woche eine Quote von rund 30 Prozent nicht wahrgenommener Astrazeneca-Termine. In Remscheid wird jeden Freitag mit Astrazeneca geimpft: „Am ersten Freitag hatten wir nicht einen Ausfall. Am zweiten Freitag lag die Ausfallquote bei 20 Prozent“, sagte eine Sprecherin der Stadt. Auch Aachen meldet viele Ausfälle. In Düsseldorf sind rund 500 Astrazeneca-Impfungen pro Tag geplant. Es gebe kaum Absagen, erklärte die Stadt, nannte aber keine Zahl.

Regierungssprecher Steffen Seibert appellierte, dem Impfstoff von Astrazeneca Vertrauen zu schenken: „Er ist wirksam, er ist sicher.“ Auch Impfarzt Zastrow betonte: „Astrazeneca ist nicht schlechter als die Impfstoffe von Biontech und Moderna, er wird nur schlechtgeredet.“ Zugleich mahnte der Impfarzt: „Jeder, der einen Termin nicht antritt, sollte wissen: Er kann sich und andere infizieren und am Ende töten.“

Zugleich nimmt die Kritik der Mediziner an Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) zu. „Das Ministerium macht den Impfzentren die Arbeit unnötig schwer“, kritisierte der Kölner Impfarzt. „Die Zentren mussten am 15. Dezember fertig sein, damit der Minister und sein Ministerpräsident etwas vorzeigen konnten. Das war alles Show. In Betrieb gegangen sind die Zentren erst am 8. Februar.“ Dann habe das Ministerium den Impfzentren verboten, sieben Dosen aus einem Biontech-Fläschchen zu ziehen. Später wurde dieses Verbot aufgehoben. „Wir müssen mit Blick auf die Mutante so schnell wie möglich viele Menschen impfen. Das geht nur mit flexiblen Lösungswegen vor Ort, nicht aber mit den dirigistischen und oft unsachgemäßen Erlassen des Ministeriums“, so Zastrow.

Auch die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KV) ist verärgert. „Jedes Vorziehen bestimmter Gruppen zieht den gesamten Impfprozess der Berechtigten mit höchster und hoher Priorität erheblich in die Länge“, sagte KV-Chef Frank Bergmann mit Blick auf die Regeln für Lehrer und Erzieher. Er halte es zwar für nachvollziehbar, dass diese früh geimpft werden. Doch dürfe das nicht zulasten der Teams in den Haus- und Facharztpraxen gehen. Diese müssten zügig durchgeimpft werden. Zuvor hatte schon die Gewerkschaft der Polizei scharfe Kritik an Laumann geübt.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach verteidigte den Impfstoff von Astrazeneca als „ein hochwirksames Produkt, das jetzt schnell verimpft werden sollte“. Er schlägt vor, dass die Impfzentren deutlich länger und an sieben Tagen die Woche geöffnet haben sollten. Bislang sind oft nur die Werktage besetzt. Lauterbach fordert außerdem mehr Impfeinladungen: „Damit das lohnt, sollten jetzt alle Personen der drei Prioritätsgruppen, die unter 65 Jahren alt sind, zeitgleich ein Angebot zur Impfung mit Astrazeneca von den Ländern unterbreitet bekommen“, sagte er unserer Redaktion.

Die NRW-SPD machte Laschet für den Astrazeneca-Stau mitverantwortlich: „Die Forderung des Ministerpräsidenten nach mehr Pragmatismus ist zwar löblich. Aber er ist doch selbst für die Organisation verantwortlich“, sagte Fraktionsvize Lisa Kapteinat. Sie forderte, Wartelisten einzurichten, um übrig bleibenden Impfstoff schnell verabreichen zu können.

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