Bis zu 60 Kilometer Megastaus an den Grenzen - EU-Staaten versprechen Lösung

Brüssel · Im Kampf gegen das Coronavirus schottet die EU sich nach außen ab. Das soll auch die Grenzkontrollen im Inneren der Staatengemeinschaft überflüssig machen. Das klappt aber längst nicht. Helfer sprechen von einer „humanitär bedenklichen Situation“.

  LKW stauen sich auf der Autobahn A4 bei Sonnenuntergang.

LKW stauen sich auf der Autobahn A4 bei Sonnenuntergang.

Foto: dpa/Sebastian Kahnert

Angesichts von Riesenstaus an den Grenzen haben die EU-Länder gelobt, das Problem anzugehen und den Verkehr innerhalb Europas trotz der Coronakrise am Laufen zu halten. Man sei sich einig, Störungen so gering wie möglich zu halten, vor allem für wichtige Gütertransporte, erklärte das EU-Vorsitzland Kroatien am Mittwochabend in Brüssel. Doch wurden zeitgleich neue Beschränkungen angekündigt: Österreich will nun auch die Grenze zu Deutschland kontrollieren. Und Deutschland beschränkte die Einreise für bestimmte EU-Bürger weiter.

So dürfen ab sofort nur noch Deutsche oder Reisende mit „einem dringenden Reisegrund“ per Flugzeug oder Schiff aus Österreich, Spanien, Italien, der Schweiz, Luxemburg und Dänemark nach Deutschland kommen. „Ich fordere seit Wochen, dass wir die Infektionskette aus dem Ausland nach Deutschland durch drastische Maßnahmen unterbrechen“, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). „Es ist absurd, den Menschen in Deutschland einen Kinobesuch zu verwehren, aber gleichzeitig Einreisen aus Risikoregionen innerhalb und außerhalb der EU zuzulassen“, fügte er hinzu.

Einseitig verhängte Kontrollen und Einreisestopps an den normalerweise offenen Grenzen im Schengenraum sorgen aber bereits an etlichen Übergängen für Chaos. An den Übergängen von Deutschland nach Polen sowie von Österreich nach Ungarn staute sich der Verkehr am Mittwoch Dutzende Kilometer.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und die anderen EU-Staats- und Regierungschefs hatten sich am Dienstag im Kampf gegen das neuartige Coronavirus auf ein weitreichendes Einreiseverbot für Bürger der allermeisten Nicht-EU-Staaten verständigt. Das setzte Deutschland auch sofort um, die Bundespolizei wies Hunderte Passagiere aus Nicht-EU-Ländern an deutschen Flughäfen ab.

Im Gegenzug befürworteten die Staatsspitzen Leitlinien der EU-Kommission für interne Kontrollen an den Grenzen, die den Warenverkehr in der EU sichern sollen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erhofft sich davon, dass die jüngst eingeführten Grenzkontrollen und -schließungen wieder gelockert werden könnten. Bislang haben mehr als 10 der 26 Schengenstaaten Grenzkontrollen angemeldet, darunter auch Deutschland. An den deutschen Grenzen wurden nach Angaben des Bundesinnenministeriums innerhalb von zwei Tagen rund 21 000 Ausländer zurückgewiesen.

Die EU-Länder bekannten sich nach Angaben der kroatischen Ratspräsidentschaft zu dem Ziel, die Probleme an den Grenzen gemeinsam in den Griff zu bekommen. „Es gibt eine klare Verpflichtung, sich zu koordinieren und besser zusammenzuarbeiten“, hieß es in einer Erklärung nach einer Videokonferenz der Verkehrsminister. „Wir stimmen überein, dass es wichtig ist, den Frachtverkehr in Bewegung zu halten, auch über Grenzen hinweg und so sicherzustellen, dass wichtige Güter und Vorräte unsere Bürger erreichen.“

Tagsüber war die Lage an der deutsch-polnischen Grenze aber extrem angespannt. Am Grenzübergang Ludwigsdorf wuchs der Stau auf der Autobahn 4 aufgrund der polnischen Grenzkontrollen auf bis zu 60 Kilometer an. „Es ist aus unserer Sicht eine humanitär bedenkliche Situation“, sagte Kai Kranich vom Deutschen Roten Kreuz. Teils stünden die Menschen bis zu 20 Stunden im Stau, darunter viele Familien. Es gebe keine Toiletten, keine Versorgung mit Essen.

Der polnische Grenzschutz reagierte am Mittwoch und öffnete vier weitere Übergänge für den Autoverkehr. Am Mittag war der Stau trotzdem noch 50 Kilometer lang. Unter jenen, die an der deutsch-polnischen Grenze festsitzen, sind auch etliche Menschen aus dem Baltikum. Sie müssen auf dem Weg in die Heimat durch Polen.

Auch die Lage an der österreichisch-ungarischen Grenze verschärfte sich. Am Grenzübergang Nickelsdorf staute sich der Verkehr auf österreichischer Seite zeitweise auf bis zu 50 Kilometer, wie ein Sprecher der Landesregierung des Burgenlandes sagte. Daraufhin hob Ungarn am Mittwoch seine Einreisebeschränkungen vorübergehend auf. Zahlreiche Bulgaren, Rumänen und Serben, die in ihre Heimat wollen, sollen nun das Land durchfahren können.

Man erwarte von den EU-Staaten einen Geist der Kooperation, sagte ein Sprecher der EU-Kommission. „Das ist der Schlüssel für unsere Bürger, die in einem anderen Mitgliedsstaat gestrandet sind und nach Hause möchten.“

(ala/dpa)
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