Hannover/Düsseldorf "Chico" bleibt vorerst am Leben

Hannover/Düsseldorf · Der Hund hatte in Hannover seine 52-jährige Besitzerin und deren Sohn totgebissen. Die Stadt wollte ihn einschläfern lassen, dagegen gab es Proteste. Jetzt will die Stadt den Fall noch einmal prüfen - und räumt massive Versäumnisse ein.

Der Hund, der vergangene Woche in Hannover zwei Menschen totgebissen hat, wird vorerst doch nicht eingeschläfert. Stattdessen soll der Fall noch einmal geprüft werden, teilte die Stadt Hannover gestern mit. Zudem räumte die Stadt schwere Versäumnisse im Umgang mit "Chico" ein. Das Tierheim Langenhagen, in dem der Staffordshire-Terrier-Mischling derzeit lebt, hatte zuvor vorgeschlagen, den Hund in eine Spezialeinrichtung für auffällig gewordene Tiere zu bringen.

Der Hund hatte am vergangenen Dienstag seine 52 Jahre alte Besitzerin und deren 27 Jahre alten Sohn totgebissen. Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft Hannover zufolge war die Familie mit dem Tier überfordert. Die Mutter war pflegebedürftig, der Sohn schwer krank.

Die tödliche Attacke hätte offenbar verhindert werden können. Wie der Hannoveraner Ordnungsdezernent Axel von der Ohe gestern mitteilte, lagen seit März 2011 "eindeutige Anhaltspunkte für gesteigerte Aggressivität und mangelnde Eignung des Eigners" vor. Der Halter sei einer angeordneten Begutachtung nicht nachgekommen. Danach hätte ihm das Tier entzogen werden müssen. Warum das nicht geschehen sei, werde nun geprüft. Personelle und rechtliche Konsequenzen seien möglich, so von der Ohe. Auch die Staatsanwaltschaft sei involviert: "Es ist kaum erklärlich, warum den Hinweisen, die uns vorlagen, nicht nachgegangen worden ist."

Hundetrainerin Wiltrud Remstedt hatte die Behörden 2011 vor "Chico" gewarnt. Sie sagte unserer Redaktion, dass der Hund schon beim ersten Treffen als aggressiv aufgefallen sei. Remstedt ist überzeugt, dass "Chico von Menschenhand zu solch einer Kampfmaschine abgerichtet worden ist." Der Hund sei von der 52-Jährigen angeschafft worden, um sich vor dem gewalttätigen Ehemann zu schützen. Der Fall landete bei Remstedt, weil Nachbarn Alarm schlugen. "Chico" belle permanent, verrichte sein Geschäft auf dem Balkon und komme kaum nach draußen. Remstedt sagt, die Familie sei schlicht nicht in der Lage gewesen, das Tier zu halten: "Der Hund war eine Waffe in der Wohnung." Das habe sie so auch 2011 in ihrem Bericht an das städtische Veterinäramt geschrieben. Doch passiert sei nichts.

Wie es mit "Chico" weitergeht, ist offen. Derzeit laufen der Stadt zufolge Gespräche mit dem Tierheim, zudem sollen auch externe Experten und die Veterinärbehörde in die Entscheidungsfindung einbezogen werden. Klar sei, dass ein konventionelles Tierheim nicht der richtige Ort für den Hund sei. Die Stadt nimmt den Fall auch zum Anlass, alle Altfälle zu prüfen. Wie lange das dauert, ist ungewiss. Bis über sein Schicksal entschieden ist, bleibt Hund "Chico" im Langenhagener Tierheim.

Die Ankündigung der Stadt, den Hund einschläfern zu lassen, hatte am Wochenende zu massiven Protesten geführt. So boten in den sozialen Medien Menschen an, den Hund zu sich zu nehmen. Eine Online-Petition zu seiner Rettung hatten bis gestern zudem mehr als 250.000 Menschen unterschrieben. Der Hund könne für den Tod seiner beiden Halter nicht verantwortlich gemacht werden, heißt es darin.

Die Vorsitzende der Gesellschaft für Tierverhaltensmedizin- und therapie, Barbara Schönig, begrüßt die Entscheidung, den Fall noch einmal zu prüfen: "Der Tod eines Tieres ist nie eine gute Lösung." Ähnlich sieht das Heiko Schwarzfeld, Geschäftsführer des Hannoveraner Tierschutzvereins, der auch das Langenhagener Tierheim betreibt: "Wir freuen uns über die Entscheidung, dass "Chico" noch einmal genau untersucht wird." Gleichzeitig mahnt Schwarzfeld angesichts der Aufregung in den sozialen Medien aber zur Besonnenheit: "Man darf nicht vergessen, dass zwei Menschen gestorben sind."

(kess, eler)
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