Prozess in Celle Prediger Abu Walaa gab laut Kronzeuge grünes Licht für Anschläge

Celle · Im Prozess gegen den mutmaßlichen IS-Deutschlandchef Abu Walaa hat ein inhaftierter Bombenleger am Dienstag vor Gericht geschildert, dass ihn der Angeklagte zu der Tat ermutigt habe.

Abu Walaa, mutmaßlicher Anführer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Deutschland, steht mit bedecktem Kopf in einem Gerichtssaal des Oberlandesgerichts Celle.

Abu Walaa, mutmaßlicher Anführer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Deutschland, steht mit bedecktem Kopf in einem Gerichtssaal des Oberlandesgerichts Celle.

Foto: dpa/Holger Hollemann

Fahnder halten Abu Walaa für den wichtigsten Strippenzieher des IS in Deutschland. Vor Gericht schildert ein inhaftierter Bombenleger, dass er sich von dem Iraker ermuntert gefühlt habe. Aber hat der islamistische Prediger tatsächlich zu Terror aufgerufen?

Der mutmaßliche IS-Deutschlandchef, Abu Walaa, soll Anschläge und die Ausreise junger Leute zu der Terrormiliz nach der Aussage eines verurteilten Attentäters befürwortet haben. Im Prozess gegen den Iraker und vier Mitangeklagte sagte der neue Kronzeuge am Dienstag am Oberlandesgericht Celle, dass er Abu Walaa über solche Pläne einer von ihm gebildeten Gruppe junger Muslime informiert habe. Bei dem Treffen in der Moschee des inzwischen verbotenen deutschsprachigen Islamkreises Hildesheim (DIK) im März 2016 habe Abu Walaa ihm empfohlen, geduldig und standhaft zu sein. „Das war für mich halt grünes Licht, ich habe den Gruppenmitgliedern weitergegeben, dass wir grünes Licht haben.“

Einen Monat später verübte der inzwischen 19-jährige Zeuge Yusuf T. mit zwei Mittätern einen Sprengstoffanschlag auf einen Sikh-Tempel in Essen mit drei Verletzten. Sein Treffen mit Abu Walaa während eines dreitägigen Osterseminars in der Hildesheimer Salafistenmoschee habe ihn in seinem Tun bekräftigt, sagte der aus Gelsenkirchen stammende Zeuge. „Für mich persönlich, so habe ich es empfunden, hat er mich gepuscht, meine Sache durchzuziehen.“ In konkrete Anschlagspläne weihte er den Iraker allerdings nicht ein, sondern sprach lediglich davon „hier aktiv zu werden“, eine Umschreibung für Anschläge in Islamistenkreisen. Der Prediger wiederum soll mit Koranversen geantwortet haben.

Angetrieben vom Zuspruch Abu Walaas habe er unverzüglich vor dem Moscheegebäude in Hildesheim versucht, weitere junge Muslime für seine bereits rund 60 Mitglieder starke Gruppe „Die Unterstützer des Kalifats“ zu gewinnen, sagte der Zeuge vor Gericht. Auch den mitangeklagten türkischen Inhaber eines Reisebüros in Duisburg habe er über beabsichtigte Anschläge und Ausreisen junger Muslime berichtet. 1000 Leute wie ihr würdet ganz Duisburg, ganz Deutschland erobern ohne Waffengewalt, habe der Reisebüro-Inhaber mit Tränen in den Augen gesagt.

Abu Walaa steht zusammen mit vier anderen Angeklagten wegen Mitgliedschaft in der Terrormiliz Islamischer Staat vor Gericht. Sie sollen junge Menschen im Ruhrgebiet und im Raum Hildesheim radikalisiert und in die Kampfgebiete des Islamischen Staats geschickt haben. Der Prozess gegen die Männer läuft bereits seit mehr als einem Jahr. Unerwartet meldete sich im Frühjahr der bereits verurteilte Tempelbomber mit dem Wunsch einer Zeugenaussage. Da gegen ihn wegen der Bildung einer terroristischen Vereinigung weiterhin ermittelt wird, zog er seine Aussagebereitschaft vorübergehend zurück. Nun aber steht er dem Gericht umfassend Rede und Antwort.

Auch in einer als Gebetszentrum genutzten Wohnung eines serbischen Mitangeklagten in Dortmund sei er auf Abu Walaa getroffen, sagte der Zeuge. Abu Walaa habe dort von der Ideologie des Islamischen Staates gezeichnete Predigten gehalten. Auch sei dort über Waffen gesprochen worden. „Marokkanische Brüder“ in Brüssel und Paris hätten Kalaschnikows für 1600 Euro verfügbar, habe es geheißen.

Unbemerkt von den Sicherheitsbehörden blieb das Tun der Islamistengruppe um Abu Walaa nicht. Sowohl bei den Treffen in Dortmund als auch in Hildesheim war regelmäßig V-Mann „Murat“ des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen dabei, jener „VP-01“, der sich auch an die Fersen von Berlin-Attentäter Anis Amri heftete. Auch über unbemerkt gefertigte Fotos eines Treffens in Dortmund verfügte das Gericht am Dienstag - zur Herkunft wurde nichts gesagt.

(hsr/dpa)
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